Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
drei Schatten näher. Die Pferde wurden unruhig. Sie hatten die Witterung der Fremden aufgenommen und schnaubten. Nur noch ein paar Schritte, dann war der Erste bei den Tieren angekommen. Die Stute tänzelte aufgeregt und schlug mit dem Schweif. Als der Schatten nach ihrem Halfter griff, wieherte sie laut. Jetzt wurden auch die Kamele nervös. Ruckartig kamen sie auf die Füße und versuchten, mit kleinen Trippelschritten ihrer gebundenen Vorderbeine davonzuhumpeln.
Mit drei Sätzen sprang Saïd hinüber zu den Pferden. Er trat dem Fremden, der dabei war, den Strick der Stute zu lösen, in die Kniekehlen und warf ihn zu Boden. Der Mann geriet unter die Hufe. Das Tier schlug aus und sprang beiseite, soweit sein Haltestrick es erlaubte. Bevor sich der Mann aufrappeln konnte, kniete Saïd über ihm und hob seinen Dolch. Weit aufgerissene, entsetzte Augen blickten ihn aus einem bleichen Jungengesicht an.
Kurz entschlossen wechselte Saïd den Griff und hieb mit dem Knauf gegen die Schläfe des Jungen. Von einem Augenblick zum nächsten erlosch dessen Widerstand. Sicherheitshalber überprüfte Saïd den Pulsschlag am Hals des Pferdediebes, dann band er dessen Hände und Füße zusammen.
Er schaute auf. Hamid und Abdallah knieten über den anderen beiden Strauchdieben und legten ihnen ebenfalls Fesseln an. Auch sie hatten kurzen Prozess gemacht und ihre Gegner mit gezielten Faustschlägen außer Gefecht gesetzt.
» Habt ihr noch mehr gesehen?«, fragte er und deutete hangabwärts. » Das sind doch keine Osmanen!«
Abdallah schüttelte den Kopf. » Räuber, Straßendiebe, was weiß ich. Viel Erfahrung hatten sie nicht, wir konnten sie leicht überrumpeln. Und falls noch jemand bei ihnen war, so hat er sich wohl aus dem Staub gemacht.«
Die Feuer loderten auf und erleuchteten den Lagerplatz, als sie die drei bewusstlosen Räuber in die Mitte zogen. Hassan und Idriss, die sich schlafend gestellt hatten, um notfalls die Frauen zu verteidigen, hatten reichlich Holz nachgelegt. Nach einem kurzen Blick auf die am Boden Liegenden spuckten sie aus, dann kümmerten sie sich um die Kamele.
» Was?« Azîzas Stimme klang beinahe schrill vor Schreck. Die drei Frauen kauerten beieinander auf ihren Decken. Offensichtlich hatte sie erst das Kampfgetümmel und das Gebrüll der Kamele aus dem Schlaf gerissen. Sie starrten auf die drei gefesselten Männer. » Wer sind diese Männer? Etwa wieder Osmanen?«
17
» Keine Angst, es sind wohl eher gewöhnliche Pferdediebe«, beruhigte Saïd die Frauen. » Ungeübte noch dazu, denn besonders raffiniert sind sie nicht zu Werke gegangen.«
» Sie sind doch nicht tot?«, fragte Sarah.
» Nur bewusstlos, sie werden bald wieder zu sich kommen. Soll ich euch nicht doch nach Marrakech bringen? Die Stadt ist nur einen Tagesritt entfernt.« Er wies hinunter auf die Ebene. » Vielleicht wollt ihr euch einer anderen Karawane anschließen?«
» Du meinst, weil ihr hin und wieder überfallen werdet?«, fragte Sarah lächelnd. Sie spürte keine Angst mehr. Warum das so war, hätte sie nicht sagen können, sie wusste nur, dass sie sich unter Saïds Schutz sicher fühlte. » Nein, du und deine Männer habt ja inzwischen Übung in der Abwehr. Am liebsten möchte ich mit euch weiterziehen. Zumindest«, setzte sie eilig hinzu, » solange wir den gleichen Weg haben, und solange es für dich keine Umstände bedeutet.«
Saïd atmete erleichtert auf. Was hätte er getan, wenn Sarah auf seinen Vorschlag eingegangen wäre und sich eine andere Karawane gesucht hätte?
Er ließ sich Zeit und betrachtete die Männer. Die drei Gefesselten könnten Großvater, Vater und Sohn sein, so ähnlich sahen sie einander. Wie sie dort in der Nähe der Feuer lagen, hatten sie nichts Gefährliches an sich. Sie trugen fremd wirkende Kleidung und waren nicht besonders groß, hatten aber kräftige Arme und breite Handwerker- oder Bauernhände. Sie sahen aus, als hätten sie schlechte Zeiten durchlebt.
» Bei den geheiligten Gräbern meines Vaters und meiner Vorfahren, wenn ich gewusst hätte, wie Flüchtlinge hierzulande behandelt werden, ich hätte Granada trotz der Gefahr niemals verlassen.« Mit keinem Muskelzucken hatte der Alte verraten, dass er inzwischen aus der Ohnmacht erwacht war. Er sprach mit geschlossenen Augen und unbewegtem Gesicht, und es war, als spräche er ins Nichts. » Alles hinter sich zu lassen, Haus und Grund und Boden, ein wildes Meer zu überqueren, allen nur denkbaren Gefahren zu trotzen – und das
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