QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
Zum Abschluß der Vorlesung werde ich Ihnen ein bißchen was über die Kernteilchen erzählen. In der Zwischenzeit aber werde ich mich der Einfachheit halber auf Photonen – Lichtteilchen – und Elektronen beschränken. Denn auf die Art und Weise ihres Agierens kommt es an, und wie sie agieren, ist hochinteressant.
Nachdem Sie nun wissen, worüber ich reden will, werden Sie fragen, ob Sie die Vorträge auch verstehen werden. Schließlich weiß jeder, der eine naturwissenschaftliche Vorlesung besucht, von vornherein, daß er nichts davon begreift. Doch vielleicht trägt der Dozent eine hübsche, bunte Krawatte, die man anschauen kann. Nicht in diesem Fall! (Feynman trägt keine Krawatten.)
Der Stoff, den ich Ihnen vortragen will, wird den Physikstudenten erst im letzten oder vorletzten Jahr zugemutet – und Sie bilden sich ein, ich könnte ihn so darlegen, daß Sie ihn verstehen? Nein, Sie werden nichts begreifen. Warum aber unterziehe ich Sie dann der ganzen Mühsal? Warum sollen Sie dann die ganze Zeit hier sitzen und sich etwas anhören, was Sie nicht verstehen? Das eben ist meine Aufgabe, Sie zu überzeugen, nicht davonzulaufen, nur weil Sie es nicht begreifen. Sehen Sie, auch meine Physikstudenten verstehen es nicht. Und zwar, weil ich es nicht verstehe. Niemand begreift es.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort zum Problem des Verstehens sagen. Es gibt viele Gründe, warum man einen Vortragenden vielleicht nicht versteht. Einer ist schlampige Ausdrucksweise – er sagt nicht das, was er sagen will, oder zieht es verquer auf. So etwas ist relativ leicht zu vermeiden, und ich werde mich bemühen, meinem New Yorkerisch nicht die Zügel schießen zu lassen.
Ein anderer Grund kann sein, zumal wenn der Dozent ein Physiker ist, daß er alltägliche Wörter auf komische Weise gebraucht. Physiker bedienen sich häufig gewöhnlicher Wörter wie »Arbeit« oder »Energie« oder, wie Sie noch merken werden, »Licht«, um einen technischen Sachverhalt auszudrücken. So verstehe ich unter »Arbeit« im physikalischen Sinn etwas anderes, als wenn ich auf der Straße von »Arbeit« rede. Ein solches Ausgleiten in den Fachjargon mag mir auch bei dieser Vorlesung unterlaufen, ohne daß ich mir dessen bewußt werde. Es ist ein Fehler, in den der Fachmann nur allzu leicht verfällt. Aber ich werde mein Bestes tun, um ihn zu vermeiden. Das gehört schließlich zu meiner Aufgabe.
Ein weiterer Grund, warum Sie das, was ich Ihnen vortrage, nicht zu verstehen glauben könnten, mag sein, daß Sie nicht begreifen, warum die Natur so verfährt, während ich Ihnen doch beschreibe, wie sie verfährt. Das Warum versteht nämlich niemand. Ich kann nicht erklären, warum sich die Natur so und nicht anders verhält.
Schließlich gibt es die Möglichkeit, daß Sie das, was ich Ihnen sage, ganz einfach nicht glauben können. Sie können es nicht akzeptieren. Es paßt Ihnen nicht in den Kram. Sie lassen den Vorhang herunter und hören einfach nicht mehr zu. Ich beschreibe Ihnen die Natur, wie sie ist – und wenn Ihnen diese Beschreibung nicht paßt, geben Sie sich auch keine Mühe, sie zu verstehen. Wir Physiker haben uns mit diesem Problem herumschlagen und einsehen müssen, daß es nicht darauf ankommt, ob uns eine Theorie paßt oder nicht. Sondern darauf, ob die Theorie Vorhersagen erlaubt, die mit dem Experiment übereinstimmen. Es geht nicht darum, ob eine Theorie philosophisch bestrickend oder leicht zu verstehen ist oder dem gesunden Menschenverstand von A bis Z einleuchtet. Die Natur, wie sie die Quantenelektrodynamik beschreibt, erscheint dem gesunden Menschenverstand absurd. Dennoch decken sich Theorie und Experiment. Und so hoffe ich, daß Sie die Natur akzeptieren können, wie sie ist – absurd.
Mir jedenfalls wird es Spaß machen, Ihnen diese Absurdität darzulegen, denn mich entzückt sie. Also laufen Sie bitte nicht gleich davon, weil Sie die Natur nicht für so seltsam halten können. Hören Sie mir einfach bis zu Ende zu; vielleicht sind Sie dann ebenso begeistert wie ich.
Nun werden Sie wissen wollen, wie ich Ihnen denn Sachverhalte erklären will, die ich meinen Studenten erst gegen Ende des Studiums zumute. Lassen Sie mich diese Frage mit einer Analogie beantworten. Die Maya-Indianer, die sehr am Auf- und Untergang, das heißt am Erscheinen, der Venus als Morgen- und Abend»stern« interessiert waren, fanden nach jahrelangen Beobachtungen heraus, daß fünf Venuszyklen ungefähr acht ihrer »nominellen Jahre«
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