Quantum

hast.«
    »Gefunden.«
    »Egal.« Sie hält die UHR hoch. »Erzähl
mir etwas darüber. Die Oubliette-Informationen, die ich habe, sind
offensichtlich veraltet.« Ihr Ton ist emotionslos. Etwas in mir möchte, auch
wenn es gefährlich ist, diese Eiskruste wieder aufbrechen, um zu sehen, wie
dick sie ist.
    »Es ist eine UHR . Ein Instrument, das ZEIT als Quantengeld speichert – unfälschbare,
unkopierbare Quantenzustände mit endlicher Lebenszeit, ein fälschungssicheres
Gerät, das die Zeit misst, die ein Oubliette-Bürger in einem menschlichen
Standardkörper verbringen darf. Ein sehr persönliches Gerät, mit dem auch die
verschlüsselte Verbindung zum Exospeicher hergestellt wird.«
    »Und du glaubst, es hat einmal dir gehört? Enthält es das, was wir
brauchen?«
    »Vielleicht. Aber etwas fehlt. Die UHR allein ist nutzlos ohne die öffentlichen Schlüssel – das Gevulot – im Gehirn.«
    Sie klopft mit einem Fingernagel auf die Scheibe. »Ich verstehe.«
    »Es funktioniert folgendermaßen: Der Exospeicher speichert Daten –
alle Daten –, die von der Oubliette gesammelt werden, Umweltdaten,
Sinneseindrücke, Gedanken, alles. Das Gevulot führt Buch darüber, wer worauf in
Echtzeit zugreifen kann. Es ist nicht nur ein öffentlich/privates
Schlüsselpaar, es ist eine unüberschaubar ineinander geschachtelte Hierarchie,
ein Baum von Knoten, wo jeder Ast nur von der Wurzel her geöffnet werden kann.
Wenn man jemanden kennenlernt, vereinbart man, was man miteinander teilt, was
der andere über einen erfahren darf und woran man sich hinterher erinnert.«
    »Hört sich kompliziert an.«
    »Ist es auch. Die Marsianer haben ein spezielles Organ dafür.« Ich klopfe mir an die Stirn. »Einen Privatsphäre-Sinn. Sie spüren , was sie preisgeben, was privat ist und was nicht.
Außerdem tun sie etwas, was sich mit-erinnern nennt,
sie teilen Erinnerungen mit anderen, indem sie einfach den zuständigen
Schlüssel mit ihnen teilen. Wir haben nur die Minimalversion. Man weist den
Besuchern ein scharf abgegrenztes Stück des Exospeichers und ein Interface zu.
Aber damit ist es unmöglich, die Feinheiten nachzuvollziehen.«
    »Und warum machen sie das?«
    Ich zucke die Achseln. »Hauptsächlich aus historischen Gründen:
obwohl nicht viel darüber bekannt ist, was nach dem Großen Zusammenbruch hier
passiert sein dürfte. Die gängige Version lautet, dass irgendjemand eine Milliarde Gogols für ein privates Terraforming-Projekt hierher brachte und
sich zum König aufschwang. Bis die Gogols rebellierten. Tatsache ist
jedenfalls, dass es vor allem dem Gevulot-System zu verdanken ist, wenn sich
der Sobornost diesen Palast noch nicht einverleibt hat. Weil es nämlich zu
mühsam wäre, alles zu dechiffrieren.«
    Da bin ich wieder, ihr beiden, meldet sich
Perhonen. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, ich
wollte nicht stören. Bei den Zeichen handelt es sich
um astrologische Symbole. Für die genaue Sequenz findet sich nur eine einzige
Quelle: Giulio Camillos Gedächtnistheater . Das ist
ein okkultes System aus der Renaissance. Und Thibermesnil ist ein Schloss in
Frankreich. Sie schickt ein Spime durch unseren Neutrinokanal. Mieli
sieht es sich an und lässt es dann zwischen uns in der Luft hängen.
    »Schön«, sagt sie. »Und was hat das nun alles zu bedeuten?«
    Ich runzle die Stirn. »Ich habe keine Ahnung. Aber ich vermute, dass
sich alles, was wir wissen müssen, in meinem alten Exospeicher befindet. Wir
brauchen nur einen Weg zu finden, um an ihn herankommen. Mir scheint, ich muss
wieder zu Paul Sernine werden, wer immer das gewesen sein mag.« Ich gieße mir
noch einen Cognac ein.
    »Und wo könnte sich dein alter Körper befinden? Hat er – hast du –
ihn mitgenommen, als er fortgegangen ist? Und was sagen diese Zeichen aus?«
    »Möglich wäre es. Und mit den Zeichen kann ich gar nichts anfangen –
außer dass ich immer einen Hang zum Theatralischen hatte. Aber ich habe keine
Erleuchtung.« Ich bin ziemlich sauer auf mein früheres Ich. Warum
zum Teufel musstest du das alles so kompliziert machen? Aber die Antwort
liegt auf der Hand: Damit Geheimnisse auch Geheimnisse bleiben. Und sie
zwischen anderen Geheimnissen zu verstecken, nun, das ist ein
Bilderbuchverfahren.
    »Es gibt also keine Möglichkeit, gewaltsam vorzugehen und sich über
die UHR den Zugriff auf deine Erinnerungen zu
erzwingen? Wir könnten Perhonen veranlass…«
    »Nein, es gibt drei Dinge, von denen man hier mehr versteht als
irgendjemand