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Quellen Der Lust

Quellen Der Lust

Titel: Quellen Der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Krahn
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hervorragend gearbeitete Möbel füllten jeden Raum, doch er fand nichts, das der Schatulle, die er suchte, auch nur ähnlich sah. Simon bekämpfte seine Enttäuschung und stieg die Treppe hinauf zu Mrs. Ralstons Schlafzimmer. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, damit die ungemein neugierige Katze draußen blieb, sah er sich um und bemerkte, dass dieser Raum am üppigsten ausgestattet war. Durch die Fenster neben dem Himmelbett fiel Mondlicht herein und schien auf eine blassgrüne Tagesdecke und weiche Kissen. Gegenüber von dem Bett befand sich ein Frisiertisch mit einem ovalen Spiegel. An der anderen Wand standen ein reich geschnitzter Kleiderschrank sowie ein Paravent, dem gegenüber ein zierlicher Sekretär mit einem chintzbezogenen Stuhl.
    An den blassgrauen Wänden hingen noch mehr gerahmte Bilder, aber das schönste Objekt in diesem Raum war eine lebensgroße Frauenstatue, die nichts trug außer einem geheimnisvollen Lächeln. Sie stand in der Ecke neben dem Sekretär, eine Göttin aus reinweißem Marmor, der im Mondlicht schimmerte. Eine ihrer schlanken Hände hielt sie einladend ausgestreckt, und Simon glaubte beinahe, ein Flüstern zu hören: Berühre mich. Mit der anderen Hand drückte sie einen Blumenstrauß an ihre Brust, ein Blütenblatt lag dabei an ihrer Brustwarze. Sie wirkte so lebensecht – Simon ertappte sich bei dem Wunsch, sie tatsächlich zu berühren, um sich davon zu überzeugen, dass sie nicht lebendig war.
    Er löste seinen Blick von der Statue und ging zum Schrank hinüber. Eine Untersuchung des Inhalts ergab, dass Mrs. Ralston einfache, aber hervorragend gearbeitete Kleider aus edlem Material bevorzugte und mehr Hüte und Schuhe besaß, als eine einzelne Frau jemals verlangen konnte.
    Er zog die Brauen hoch, als er in einem Stiefel ganz hinten in dem Schrank eine kleine Pistole mit einem Perlmuttgriff fand. Offenbar verspürte Mrs. Ralston den Wunsch nach Schutz, obwohl sie in einem verschlafenen kleinen Dorf lebte. Wovor? Oder vor wem? Fürchtete sie um ihre Sicherheit, weil sie sich schuldig gemacht hatte – wie etwa an dem Tod ihres früheren Liebhabers?
    In Bezug auf diese Frau waren so viele Fragen offen, Fragen, von denen er vermutete, dass sie zu den Antworten führten, die ihm zu Ridgemoors Tod fehlten, dabei seine Unschuld bewiesen und ihn vor der Schlinge des Henkers retteten.
    Er ging weiter zu dem Frisiertisch, hob den Parfümflakon aus geschliffenem Kristall an die Nase und schnupperte. Sie mochte den Duft von Rosen. Kleine Keramiktiegel auf dem Tisch enthielten verschiedenen Cremes und Lotionen.
    In den ersten beiden Schubladen fand er Dutzende von Handschuhen in einer schwindelerregenden Vielfalt von Farben und Mustern. Verdammt, ihre Schwäche für Schuhe und Hüte war nicht annähernd vergleichbar mit ihrer Liebe zu Handschuhen. Die anderen Schubladen enthielten Chemisiers und Strümpfe von solcher Feinheit, dass sie beinahe durchsichtig waren. Simon wusste sehr gut, dass Unterkleidung umso teurer war, je durchsichtiger sie erschien. Offenbar hatte Mrs. Ralston sich gut zu versorgen gewusst. Weil sie in Geheimnisse und Mordpläne verwickelt war, die die nationale Sicherheit bedrohten?
    Er schob die Hände zwischen die hauchzarten Wäschestücke und stockte, als seine Finger etwas Hartes berührten. Sein Herz schlug schneller, als er den Gegenstand aus seinem Versteck holte.
    Eine Alabasterschatulle.
    Mit einem zufriedenen Seufzen trat er in das silbrige Mondlicht und drehte die Schatulle, die etwa die von der Größe eines Buchs war, herum.
    Eine rasche Untersuchung ergab, dass es keine gewöhnliche Schatulle war, sondern eine chinesische Rätselschatulle. Verdammt. Solche Schatullen hatte er bereits geöffnet – je nachdem, wie kompliziert das Muster der ineinanderzuschiebenden Teile war, konnte es ein paar Minuten oder mehrere Stunden dauern, bis er die richtige Kombination gefunden hatte, um den Deckel zu öffnen.
    Er konnte nur hoffen, dass er nicht länger als ein paar Minuten brauchte.
    Entschlossen zwang er sich zu der Ruhe, die ihm in vielen Jahren so oft genutzt hatte, bewegte die Finger mit festem Druck über die kühle, glatte Oberfläche und suchte nach einem Teil, das sich bewegen ließ.
    Die Rätselschatullen, die er bisher geöffnet hatte, waren aus Holz gewesen mit kunstvollen Intarsienarbeiten, was das Öffnen etwas vereinfacht hatte. Diese Schatulle hingegen sah aus wie ein einziges Stück Alabaster und wies keine Muster auf außer den

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