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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ins Dorf mußte, nur um die Försterei zu vermeiden, lieber den Umweg am Waldsaume hin. Auch die Hühner, die durch ihre Besuche drüben im Garten der Försterei beständig Anlaß zu Klagen und bitteren Worten gegeben hatten, hielt er besser in Ordnung, und das Steinsprengen, das mit seinem Knall und seiner aufsteigenden Rauchwolke seinen reizbaren Nachbar durch Jahr und Tag hin mehr als alles andere verdrossen hatte, gab er ganz auf. An einen völligen Ausgleich der alten Gegensätze war freilich nicht zu denken, dazu war zuviel vorgefallen, aber wenn Friede nicht sein konnte, so doch wenigstens Waffenstillstand.
    Und unter solchem Waffenstillstande verging eine Woche.
    Nun war wieder Sonntag, und die Glocken der Arnsdorfer Kirche klangen wie gewöhnlich vom Tal zu den Bergen herauf. Aber diesem Rufe folgten heute nur wenig, weil oben in Kirche Wang ein Brückenberger Paar getraut werden sollte. Das veranlaßte denn alle die, die sich mehr von der Trauung einer jungen hübschen Braut als von der Predigt des alten Siebenhaar versprachen, lieber bergauf nach Wang zu steigen, und das um so mehr, als über das wundervolle Brautkleid, das aus Hirschberg und nach andern sogar aus Breslau stammen sollte, schon die ganze Woche lang gesprochen worden war. In der Tat, Schaulust und Neugier gaben heute den Ausschlag. Aber einige stiegen doch nicht bloß als Neugierige, sondern als recht eigentliche Trauzeugen und Hochzeitsgäste hinauf, unter ihnen auch Opitz in Gala, dem sich, gleich nach Passierung des am Ausgange von Krummhübel gelegenen Rummlerschen Gasthauses, auch noch Grenzaufseher Kraatz und der alte Laborant Zölfel angeschlossen hatten.
    Zu diesen zur Hochzeit Geladenen hatte, wegen alter guter Beziehungen zum Bräutigam, anfangs auch Lehnert gehört; als er aber durch Christine von Opitz' wahrscheinlicher Anwesenheit erfuhr, war er sofort zum Fernbleiben entschlossen gewesen. Wußt er doch, daß mit Opitz, wenn dieser ein Glas über den Durst getrunken hatte, doppelt schwer zu verkehren war, und auf diese Gefahr hin wollt er eine Begegnung mit ihm nicht wagen. So zog er es denn vor, zu Hause zu bleiben und in einem von Amerika handelnden Buche zu lesen, das ihm ein alter Kriegskamerad neuerdings geliehen und das durchzusehen er sich schon ein paar Tage lang gefreut hatte. Daneben war es ihm durchaus recht, daß seine Mutter, ohne gerade zu den Geladenen zu zählen, an dem Kirchgange, nach Wang hinauf, teilnehmen und sich hinterher in dem ihr aus beßren Tagen wohlbekannten Hochzeitshause nach Möglichkeit nützlich machen wollte.
    So war der Plan. Und gemäß dem Plan verlief auch der Tag, der freilich unserem Lehnert, ganz gegen Erwarten, lang und schwer genug wurde. Denn bald nach Opitz waren auch Frau Bärbel und Christine nach Wang hinaufgestiegen, und so kam es, daß der auf seinem Inselchen Zurückgebliebene zwölf Stunden lang nichts als das Vorüberschießen der Lomnitz hörte, wenn nicht gerade drüben der Opitzsche Hofhund anschlug. Bis gegen Abend saß er so draußen im Freien und las von Urwald und Prärie, von großen Seen und Einsamkeit. Er schwelgte darin und vergaß die Zeit, aber mit einem Mal ergriff ihn doch ein Grauen. »Einsamkeit! Nein, nein,
nicht
Einsamkeit. Nicht einsam leben, nicht einsam sterben.« Und er wiederholte sich das Wort, und in seiner überreizten Einbildungskraft sah er sich auf einem Bergkegel, ein Tal zu seinen Füßen und den Sternenhimmel über sich. Ein Frösteln überkam ihn zuletzt, und so ging er denn wieder hinein und warf Kienäpfel in die Glut und starrte darauf hin. Aber das Hineinstarren in die Flamme war ihm bald nicht weniger unheimlich als das Bild, das eben draußen vor seiner Seele gestanden hatte. Dabei war es ihm beständig, als ob er Stimmen höre, Stimmen von weit, weit her. Und er sprang auf und trällerte vor sich hin, um sich alles, was ihn ängstigte, fortzusingen. Aber es wollte nicht recht glücken, und er war froh, als er, um die zehnte Stunde, seine Mutter schon von fernher des Weges kommen und gleich danach, an der Försterei vorüber, auf den Brückensteg zuschreiten sah.
    »Singst ja so, Lehnert. Was is es denn? Christine war wohl da... Ja, sie ging schon, als der Tanz eben anfing.«
    »Ach, laß doch die Christine!«
    »Du nimmst sie doch noch.« Und während die Alte das sagte, stellte sie ein Bündel, das sie bis dahin vorsichtig in Händen gehalten, auf den Tisch und löste den Knoten eines buntgeblümten Taschentuchs, in das alles

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