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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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lispelnden Stimme ergänzte:
    „Und wir fühlen uns von Tag zu Tag fremder unter den Menschen, die unseren römischen Gottheiten griechische Namen beilegen.“
    „Diese Götter sind längst zu bloßen rednerischen Figuren geworden“, versetzte Petronius leichthin. „Seitdem aber griechische Rhetoren unsere Lehrer wurden, sage auch ich leichter Hera als Juno.“
    Er hatte sich gegen Pomponia gewendet, wie um auszudrücken, daß er in ihrer Gegenwart an keine andere Gottheit zu denken vermöge. Dann machte er seine Einwendung gegen ihre vorige Entschuldigung:
    „Gewiß, die meisten Menschen werden schnell alt, doch gibt es auch solche, deren Gesicht Saturn zu vergessen scheint.“
    Petronius sagte dies mit einer gewissen Aufrichtigkeit. Obschon Pomponia über den Mittag ihres Lebens hinaus war, hatte sie eine ungewöhnliche Frische der Gesichtsfarbe bewahrt und machte oft, da ihr Kopf klein und ihre Züge fein geschnitten waren, trotz des schwarzen Gewandes und trotz ihres feierlichen Ernstes den Eindruck einer noch jungen Frau.
    Inzwischen hatte der Knabe, der große Zuneigung zu Marcus während dessen früheren Aufenthaltes im Hause gefaßt hatte, sich diesem genähert und ihn eingeladen, am Spiele teilzunehmen. Hinter dem kleinen Aulus war Lygia ins Triclinium eingetreten. Hier unter dem rankenden Efeu schien sie Petronius schöner als auf den ersten Blick und wirklich einer Nymphe ähnlich. Da er sie bis jetzt noch nicht angeredet hatte, erhob er sich nun, verneigte sich, und statt der üblichen Begrüßungsformel sprach er die Worte, mit denen Odysseus Nausikaa begrüßt:
    „Gruß dir, Hohe der Göttinnen oder der Jungfrau’n!
    Bist du der Sterblichen eine, die rings umwohnen
    das Erdreich?
    Dreimal selig dein Vater und deine treffliche Mutter,
    Dreimal selig die Brüder zugleich …“
    Die auserlesene Höflichkeit dieses Mannes gefiel sogar Pomponia. Lygia hörte verwirrt und errötend zu, ohne die Augen aufzuschlagen. Aber ein flüchtiges Lächeln begann in ihren Mundwinkeln zu zucken, und der Kampf zwischen jungfräulicher Schüchternheit und dem Wunsche, zu antworten, war deutlich erkennbar; offenbar trug der Wunsch den Sieg davon, denn indem sie die Augen zu Petronius erhob, erwiderte sie mit den Worten der Nausikaa, die sie in einem Atemzuge und wie eine gelernte Lektion herausstieß:
    „Fremdling, du scheinst kein geringer Mann mir,
    noch töricht.“
    Dann wendete sie sich um und lief hinaus wie ein erschrecktes Vögelchen.
    Die Reihe zu erstaunen war diesmal an Petronius, der nicht erwartet hatte, von den Lippen eines Mädchens, dessen barbarische Abstammung er aus Marcus’ Erzählung kannte, Verse von Homer zu vernehmen. Darum warf er einen fragenden Blick auf Pomponia; doch konnte ihm diese nicht antworten, weil sie eben lächelnd das vor Stolz strahlende Antlitz ihres Gatten betrachtete.
    Plautius konnte seinen Stolz nicht verbergen. Denn erstens liebte er Lygia wie eine eigene Tochter, und zweitens hielt er die griechische Sprache trotz seiner altrömischen Vorurteile, bei denen er die Verbreitung des Griechischen hätte bekämpfen müssen, für den Gipfel feiner Bildung. Er selbst hatte sie nie recht lernen können, und das wurmte ihn heimlich. Es war deshalb eine Freude für ihn, daß dieser hochgebildete Mann in seinem Hause eine Antwort mit den Worten Homers erhielt.
    „Wir halten einen griechischen Pädagogen im Hause, der den Knaben unterrichtet, wobei das Mädchen zuhört“, sagte er. „Sie ist zwar noch eine Bachstelze, aber eine liebliche, die uns beiden fest ans Herz gewachsen ist.“
    Petronius blickte in den Garten hinaus, zu den dreien hin, die dort spielten. Marcus hatte seine Toga abgelegt und stand in der Tunika da. Er schlug den Ball, während Lygia mit erhobenen Armen ihm gegenüberstand, um den Ball aufzufangen.
    Das Mädchen hatte anfänglich auf Petronius keinen großen Eindruck gemacht, es schien ihm allzu schlank. Doch von dem Augenblicke an, wo er es im Triclinium näher betrachtet hatte, dachte er, daß so vielleicht Aurora aussähe, und war als Kenner überzeugt, daß etwas Außergewöhnliches in ihrer Erscheinung liege.
    Seinen Augen entgingen weder das klare, rosige Gesicht, die frischen, wie zum Kusse aufgeworfenen Lippen noch die Flut ihres dunklen Haares, in dem es wie Bernstein oder Kupfer schimmerte, der schlanke Hals, die herrlich abfallenden Schultern, die ganze elastische schlanke Figur, lieblich wie der junge Mai. Der Kunstkenner in ihm fühlte, daß

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