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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Menschen, als alle Götter der Römer und Griechen, deren Bildsäulen sie an den Tempelfassaden gesehen. Seine Finger umschlossen ihr Handgelenk, während er fragte:
    „Errätst du nicht, was ich dir bekennen möchte?“
    „Nein“, flüsterte sie so leise, daß Marcus es kaum hören konnte.
    Doch er glaubte es nicht, sondern zog ihre Hand näher an sich und würde sie mit leidenschaftlichen Worten an sein Herz gepreßt haben, wäre nicht Aulus Plautius auf dem von Myrten eingehegten Pfade erschienen.
    „Die Sonne geht unter; hütet euch vor der Abendkühle, Libitina läßt nicht mit sich spaßen.“
    „O nein“, antwortete Marcus, „ich habe die Toga noch nicht wieder angezogen und fühle doch die Kühle nicht.“
    „Seht, mehr als die Hälfte der Sonnenscheibe ist hinter dem Hügel versunken. Da lobe ich mir das Klima von Sizilien, wo die Leute vor Sonnenuntergang sich auf einem Platze versammeln und mit Chorgesängen vom scheidenden Phöbus Abschied nehmen.“
    Und seine Warnung vor Libitina vergessend, begann er über Sizilien zu sprechen, wo er große Domänen besaß, und erwähnte, daß es mehrmals seine Absicht gewesen sei, daselbst den Rest seines Lebens zuzubringen.
    „Wem so viele Winter das Haar gebleicht haben, der geht dem Frost aus dem Wege. Noch hängen die Blätter an den Bäumen, noch lacht ein blauer Himmel über der Stadt; doch wenn die Rebblätter gelb werden, wenn Schnee auf die Albanerhügel fällt und die Götter mit rauhem Winde die Campania heimsuchen – wer weiß, ob ich dann nicht mit meinem ganzen Haushalt nach Sizilien, auf mein Landgut, ziehe!“
    „Wie, du wolltest Rom verlassen, Plautius?“ fragte Marcus erschrocken.
    „Seit langem ist es mein Wunsch; man hat mehr Ruhe in Sizilien und ist sicherer dort.“
    Und abermals pries er seine Gärten, seine Viehherden, sein Haus im Grünen und die Hügel, von Thymian und Pfefferkraut überwachsen, von Bienen umsummt. Aber Marcus hörte nicht auf dieses bukolische Loblied; schon der Gedanke, er könnte Lygia verlieren, ließ ihn nach Petronius wie nach einem Retter ausschauen.
    Dieser hatte inzwischen an der Seite Pomponias den Sonnenuntergang, den Garten und die Personen beim Fischteich betrachtet, deren weiße Gewänder am dunklen Hintergrunde der Myrten wie Gold in der Abendsonne glänzten. Der Himmel hatte purpurne und violette Farben angenommen, die er beständig wechselte. Ein Streifen des Horizontes erschien lilienfarbig. Die Silhouetten der Zypressen waren deutlicher als am hellen Tage. Abendstille lag auf den Menschen, den Bäumen, dem ganzen Garten.
    Petronius war davon betroffen. Er empfand den hier herrschenden Seelenfrieden, und prüfend betrachtete er die Hausbewohner. Auf dem Antlitz Pomponias, des Aulus Plautius, ihres Sohnes und Lygias lag etwas, was er auf den ihn alltäglich oder, besser gesagt, allnächtlich umgebenden Gesichtern nicht gefunden: eine gewisse ruhige Heiterkeit, die ein Ausfluß des Lebens war, das man hier führte. Der Gedanke kam ihm, daß hier vielleicht eine Schönheit und eine Anmut herrschten, die er, der unaufhörlich nach Schönheit und Anmut ausging, bisher noch nicht kennengelernt hatte. Er konnte den Gedanken nicht für sich behalten, sondern wendete sich an Pomponia mit der Bemerkung:
    „Ich denke darüber nach, wie sehr verschieden eure Welt ist von der, die Nero regiert.“
    Sie hob ihr feines Antlitz in das erblassende Tageslicht und sagte unbefangen:
    „Nicht Nero, Gott regiert die Welt.“
    Sie schwiegen. Man hörte die herannahenden Schritte des Hausherrn, seiner Kinder und des Marcus Vinicius, doch bevor diese beim Triclinium anlangten, hatte Petronius eine zweite Frage gestellt:
    „Glaubst du denn an die Götter, Pomponia?“
    „Ich glaube an den einen allmächtigen und gerechten Gott“, antwortete die Frau des Aulus Plautius.

III
    „Sie glaubt an den einen allmächtigen und gerechten Gott“, sagte Petronius, sobald er und Marcus wieder in der Sänfte waren. „Wenn ihr Gott allmächtig ist, so herrscht er über Leben und Tod; ist er gerecht, so sendet er den Tod gerechterweise.
    Warum also trauert Pomponia um Julia? Indem sie dies tut, klagt sie ihren Gott an. Ich will diese Schlußfolgerung unserem Feuerbart, dem Affen, wiederholen, da ich in der Dialektik mich ja als den Nebenbuhler des Sokrates betrachte. Was die Frauen betrifft, so glaube ich, eine jede hat ihrer drei oder vier Seelen, aber keine einzige vernunftbegabte. Lassen wir Pomponia mit Seneca und Cornutus

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