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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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fuhr mit der Hand über den Kopf, als ob er mit einem Entschluß kämpfte. Lygia bei der Hand fassend, sprach er dann in einem Tone, der die Entschlossenheit des römischen Kriegers verriet:
    „Hört mich, Petrus, Linus und du, Lygia! Ich sprach, wie der menschliche Verstand mir’s eingab, doch ihr habt einen anderen Sinn, der nicht auf Gefahr, sondern auf die Gebote unseres Erlösers achtet. Ich war im Irrtum; denn noch ist die Binde nicht von meinen Augen genommen, und die frühere Natur regt sich in mir. Allein ich liebe Christus, ich will sein Diener sein, und obschon etwas mir Teureres als mein Leben in Gefahr steht, knie ich nieder und schwöre, das Gebot der Liebe zu erfüllen und meine Brüder in der Stunde der Heimsuchung nicht zu verlassen.“
    Er fiel auf die Knie. Begeisterung hatte ihn ergriffen. Hände und Augen erhebend, rief er:
    „Verstehe ich dich, o Christus? Bin ich deiner würdig?“
    Seine Hände zitterten, Tränen glänzten ihm in den Augen.
    Da ergriff Petrus ein irdenes Gefäß mit Wasser, trat zu Vinicius heran und sagte feierlich:
    „Siehe, ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
    Nun wurden alle von gläubiger Ergriffenheit gepackt. Es war, als füllte ein überirdisches Licht die Hütte, als erklinge himmlische Musik. Die Felsen über der Hütte schienen gewichen, Engelchöre schwebten gleichsam vom Himmel herunter, hoch oben sahen sie ein Kreuz, und durchbohrte Hände erhoben sich zum Segen.
    Draußen aber tobten Mord und Brand.

XLIX
    In den vornehm gehaltenen Gärten des Cäsars, den früheren des Domitius und der Agrippina wurden Volkslager errichtet. Solche fanden sich auch auf dem Campus Martius und in den Gärten des Pompejus, Sallust und Mäcenas, in den Portiken, Spiel- und prächtigen Sommerhäusern und in Gebäuden, die als Behausung der wilden Tiere errichtet worden waren. Pfauen, Flamingos, Schwäne, Strauße, Gazellen, afrikanische Antilopen und anderes Wild, Zierden jener Gärten, fielen unter den Messern des Pöbels. Die Schiffe mit Nahrungsmitteln trafen jetzt in solcher Menge von Ostia ein, daß man wie auf einer Brücke über Boote und Barken von einem Ufer des Tibers zum anderen gelangen konnte.
    Der Weizen wurde zu dem unerhört niedrigen Preise von drei Sesterzen verkauft und an Arme gratis verteilt. Ungeheure Zufuhren von Wein, Oliven, Kastanien kamen nach; vom Gebirge wurden täglich Schafe und Rinder in die Stadt getrieben. Arme Leute, die sich vor dem Brande in den Gassen der Subura verborgen gehalten hatten und in gewöhnlichen Zeiten vor Hunger beinahe umgekommen waren, führten jetzt ein angenehmes Leben. Die Gefahr des Hungertodes war vollständig beseitigt, schwieriger hielt es, Raub, Mord und Betrug niederzuhalten. Das allgemeine nomadisierende Leben sicherte den Dieben Straflosigkeit, und dies um so leichter, als sie sich für Bewunderer des Cäsars erklärten und ihn, wo immer er sich zeigte, mit Beifall überschütteten. Dazu hatte sich unter dem Druck der Verhältnisse die obrigkeitliche Ordnung gelöst, auch fehlte es an militärischer Kraft, um den Übergriffen in einer Stadt zu wehren, unter deren Bewohnern die Hefe der ganzen damaligen Welt war. So kam es zu Taten, die alle menschliche Einbildungskraft überstiegen. Allnächtlich gab es Kampf und Mord, jede Nacht wurden Knaben, Mädchen und Frauen weggeschleppt. An der Porta Mugionis, wo ein Halteplatz für das von der Campania hergetriebene Vieh war, kam es oft zu Handgemengen, in denen Hunderte ihr Leben verloren. Jeden Morgen waren an den Ufern des Tibers Leichen von Ertränkten angeschwemmt, und niemand kümmerte sich darum; infolge der durch das Feuer gesteigerten Hitze verwesten sie rasch und erfüllten die Luft mit üblem Geruch. Krankheiten traten in den Lagern auf, und die Besorgtesten sahen eine furchtbare Seuche voraus. In der Stadt brannte es ohne Aufhören fort. Erst am sechsten Tage, als das Feuer den Esquilin erreichte, wo sehr viele Häuser abgerissen worden waren, schwächte es sich. Aber die Hügel glühender Asche verbreiteten noch so starkes Licht, daß das Volk nicht an das Ende der Katastrophe glaubte. Und in der Tat, der Brand schien in der siebenten Nacht in den Gebäuden des Tigellinus an Kraft zu gewinnen, war jedoch wegen Mangels an Brennmaterial von kurzer Dauer. Da und dort fielen verbrannte Häuser zusammen, was ein Emporschlagen von Flammensäulen und Funkenregen bewirkte. Die glühenden Trümmer fingen an, sich zu

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