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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Blicke, worin sich jene Verachtung für einen Mörder spiegelte, die einen Vornehmen kennzeichnet, der dazu noch den ausgesuchtesten Geschmack besitzt.
    „Tigellinus“, sagte er, „du warst es, den ich einen Komödianten nannte, und du spielst in diesem Augenblick.“
    „Vielleicht, weil ich deine Beschimpfungen nicht anhören will?“
    „Weil du grenzenlose Liebe für den Cäsar heuchelst – du, der ihm eben zuvor mit den Prätorianern drohte; wir haben es alle verstanden und er auch.“
    Tigellinus, der Petronius nicht für kühn genug hielt, solche Karten gegen ihn auszuspielen, wurde blaß, verlor den Kopf, war sprachlos. Dies war aber der letzte Sieg des Arbiters über seinen Rivalen; denn jetzt ergriff Poppäa das Wort:
    „Herr, wie kannst du zulassen, daß jemand auf den Gedanken kommt, es könnte dir einer gedroht haben, und daß er diesen Gedanken auch noch in deiner Gegenwart ausspricht?“
    „Strafe den Unverschämten“, rief Vitellius.
    Nero zog die Lippen ein zweites Mal empor, richtete seine kurzsichtigen, gläsernen Augen auf Petronius und sagte:
    „Ist das der Lohn für meine dir stets erwiesene Freundschaft?“
    „Bin ich im Irrtum, so beweise es“, sprach Petronius; „wisse aber, daß ich sagte, was mir die Liebe zu dir diktierte.“
    „Strafe!“ rief eine beträchtliche Stimmenzahl.
    Es entstand jetzt im Atrium ein Gemurmel, eine Bewegung – denn man zog sich von Petronius zurück. Sogar Tullius Senecio, sein treuester Begleiter bei Hofe, eilte hinweg, desgleichen der junge Nerva, der ihm bisher die größte Anhänglichkeit erzeigt hatte.
    Bald stand Petronius allein auf der linken Seite des Atriums, ein Lächeln auf den Lippen; die Falten seiner Toga ordnend, wartete er, was der Cäsar sagen oder tun werde.
    „Ihr wollt, daß ich ihn strafe“, sagte der Cäsar. „Aber er ist mein Freund, mein Gefährte; er hat mein Herz verwundet, er soll jedoch erfahren, daß es für Freunde nur Verzeihung kennt.“
    „Ich habe verspielt und bin dem Tode geweiht“, dachte Petronius.
    Der Cäsar erhob sich, die Beratung war zu Ende.

L
    Petronius begab sich nach Hause. Nero und Tigellinus gingen in Poppäas Atrium, wo Leute sie erwarteten, deren Bericht Tigellinus bereits kannte.
    Es waren zwei Rabbiner von der anderen Tiberseite, ein junger Schreiber und Chilon. Die Rabbiner, in lange weiße Gewänder gehüllt und mit der Mitra bedeckt, hoben bei Neros Erscheinen die Arme hoch und beugten sich auf seine Hand nieder.
    „Sei gegrüßt, Beherrscher der Welt, Schützer des auserwählten Volkes, Cäsar, Löwe unter den Menschen, dessen Herrschaft gleich der Sonne ist, gleich der Zeder des Libanon, gleich dem Frühling, gleich der Palme und dem Balsam von Jericho!“
    „Erkennt ihr mich nicht als Gott an?“
    Die Rabbiner erbleichten.
    Der Oberpriester antwortete:
    „Deine Worte, o Gebieter, sind süß wie die Weintraube, wie die reife Feige. Jehova erfüllte dein Herz mit Güte! Dein Vorgänger, der Cäsar Gajus, war streng, dennoch nannten unsere Gesandten ihn nicht Gott und wollten lieber sterben, als unser Gesetz übertreten.“
    „Und ließ Caligula sie nicht den Löwen vorwerfen?“
    „Nein, Herrscher, denn Cäsar Gajus fürchtete den Zorn Jehovas.“
    Der Name des mächtigen Jehova verlieh ihnen ersichtlich Mut; kühner blickten sie Nero ins Antlitz.
    „Beschuldigt ihr die Christen der Brandstiftung?“ fragte der Cäsar.
    „Wir beschuldigen sie der Feindschaft gegen das Gesetz, gegen die Menschheit, gegen Rom und gegen dich. Längst bedrohen sie Rom und die Welt mit Feuer! Das übrige wird dir dieser Mann hier berichten, dessen Lippen keine Lüge kennen; denn in den Adern seiner Mutter floß das Blut des auserwählten Volkes.“
    Nero wandte sich an Chilon.
    „Wer bist du?“
    „Einer, der dich anbetet, o Osiris, dabei ein armer Stoiker …“
    „Ich hasse die Stoiker“, unterbrach ihn Nero. „Ich hasse Thraseas, ich hasse Musonius und Cornutus. Ihre Redeweise, ihre Verachtung der Kunst, ihr freiwilliger Schmutz ekeln mich an.“
    „O Herr, dein Lehrer Seneca hat tausend Tafeln aus Zitronenholz; wenn du es wünschest, nehme ich doppelt soviel an. Ich bin nur aus Not Stoiker. Kleide meinen Stoizismus in einen Kranz von Rosen, o Strahlender, setze einen Krug Wein vor meinen Stoizismus, und ich will Anakreon so laut singen, daß jeder Epikuräer das Gehör dabei verliert.“
    Nero, dem der Titel „Strahlender“ schmeichelte, lachte und sprach:
    „Du gefällst mir.“
    „Dieser

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