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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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dieses Hauses wären über dir eingefallen, bevor jene Schlange in deinen Busen drang und ihn mit dem Gifte ihrer Verderbnis befleckte.“
    Crispus ließ sich mehr und mehr hinreißen, denn Lygias Schuld erfüllte ihn nicht bloß mit Zorn, sondern mit Abscheu und Verachtung gegen die menschliche Natur im allgemeinen, im besonderen aber gegen das weibliche Geschlecht, das selbst Christi Lehre nicht von Evas Schwäche heilen konnte. Es galt ihm nichts, daß Lygia rein geblieben war, daß sie vor dieser Liebe zu fliehen wünschte und sie reuevoll bekannt hatte. Crispus hatte aus ihr einen Engel machen, sie zu einer Höhe erheben wollen, wo nur die Liebe zu Christus Raum gefunden hätte, sie aber liebte einen Augustianer. Nein, nein! Er konnte das nicht vergeben. Worte des Abscheus flossen von seinen Lippen, während er die abgezehrten Hände drohend über der Jungfrau schüttelte. Lygia fühlte sich schuldbeladen, doch nicht in diesem Maße. Sie hatte geglaubt, die Entfernung aus Miriams Haus würde ihren Sieg über die Versuchung beenden und ihren Fehler kleiner machen. Crispus warf sie in den Staub, hielt ihr die Erbärmlichkeit, die Wertlosigkeit ihrer Seele vor, statt, wie sie es von dem greisen Presbyter, der seit ihrer Flucht aus dem Palatin sich wie ein Vater gegen sie gezeigt, erwartet hatte, Mitleid mit ihr zu fühlen, sie zu beruhigen, zu ermutigen und zu stärken.
    „Ich opfere Gott meine vergebliche Mühe und Enttäuschung“, sagte er; „du aber hast den Heiland betrogen, denn du bist in einen Morast geraten, dessen übler Dunst deine Seele vergiftet hat. Du hättest deine Seele Christus als ein kostbares Gefäß darbringen und sagen können: Fülle es mit deiner Gnade, o Herr. Du brachtest sie lieber einem Diener des Bösen zum Opfer. Gott erbarme sich deiner und verzeihe dir. Solange du jedoch die Schlange nicht von dir stößest, kann ich, der ich dich für alles auserwählt hielt …“
    Er sprach nicht weiter, denn sie waren nicht mehr allein. Durch die welken Blätter der Reben und den immergrünen Efeu hindurch erblickte er zwei Männer, von denen der eine Petrus war, der Apostel. Den anderen konnte er nicht gleich erkennen, denn ein Mantel aus rauhem Wollstoff verhüllte einen Teil seines Gesichtes. Einen Augenblick hielt ihn Crispus für Chilon.
    Von Crispus’ lauter Stimme angelockt, betraten die beiden das Gartenhaus und ließen sich auf der steinernen Bank nieder. Das Antlitz des Unbekannten war fleischlos, das kahle Haupt auf beiden Seiten von Locken umrahmt. Seine Lider waren gerötet, die Nase gebogen; an dem abgezehrten und doch geistvollen Antlitz erkannte Crispus den Paulus von Tarsus.
    Lygia fiel auf die Knie, umarmte Petrus’ Füße wie in Verzweiflung und barg ihr Antlitz in den Falten seines Mantels.
    „Friede euren Seelen“, sagte Petrus.
    Als er das Mädchen zu seinen Füßen erblickte, fragte er, was geschehen sei. Crispus begann zu erzählen, was Lygia ihm bekannt hatte – ihre sündhafte Liebe, ihren Wunsch, Miriams Haus zu verlassen, seinen Schmerz, daß eine Seele, die er Gott rein wie eine Lilie darbringen wollte, sich befleckt hätte durch irdische Liebe zu einem Sklaven der Laster, in denen die heidnische Welt versunken war und die Gottes Rache herausforderten.
    Während er sprach, hielt Lygia die Füße des Apostels umschlungen, als suche sie Zuflucht und Erbarmen bei ihm.
    Als der Bericht zu Ende war, beugte er sich nieder und legte die greise Hand auf ihr Haupt. Zu Crispus gewendet, sprach er:
    „Crispus, weißt du nicht, daß unser geliebter Meister zu Kana bei einer Hochzeitsfeier war und die Liebe zwischen Mann und Weib segnete?“
    Crispus ließ die Arme sinken und blickte staunend auf den Sprecher, ohne ein Wort zu erwidern. Nach einer Weile fragte Petrus abermals:
    „Glaubst du, Crispus, daß Christus, der Maria Magdalena gestattete, vor seinen Füßen zu liegen, und der öffentlichen Sünderin vergab, sich von diesem Kinde abwenden würde, das so rein ist wie eine Lilie des Feldes?“
    Lygia drückte sich schluchzend dichter an die Füße des Apostels, erkennend, daß sie nicht umsonst diese Zuflucht gesucht hatte. Petrus hob ihr tränenbedecktes Antlitz empor und sprach:
    „Solange die Augen dessen, den du liebst, der Wahrheit verschlossen sind, meide ihn, auf daß er dich nicht zu Fall bringe; bete aber für ihn und wisse, daß deine Liebe nicht sündig ist. Weil du der Versuchung entfliehen willst, so soll dir das als Verdienst angerechnet werden. Sei

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