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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Chilon gesandt hatte, bezeichnete dem Lygier genau dessen Wohnung, dann schrieb er einige Worte auf eine Tafel und sagte zu Crispus:
    „Ich gebe Ursus eine Tafel mit, denn dieser Chilon ist argwöhnisch und verschlagen. Oft, wenn ich ihn zu mir rufen wollte, ließ er meinen Leuten sagen, er wäre nicht zu Hause. So tat er immer, wenn er keine guten Nachrichten hatte und meinen Zorn fürchtete.“
    „Wenn ich ihn finde, werde ich ihn bringen, ob er nun will oder nicht“, sagte Ursus, nahm seinen Mantel und eilte fort.
    In Rom jemand ausfindig zu machen war selbst bei den genauesten Angaben nichts Leichtes. Aber Ursus besaß den Instinkt eines Jägers und kannte die Stadt genau, und so hatte er nach einiger Zeit Chilons Wohnung ermittelt.
    Ursus kannte Chilon nicht. Er hatte ihn erst einmal gesehen und dies bei Nacht. Zudem war jener sichere und dreiste Mann, der Ursus hatte überreden wollen, Glaukos zu ermorden, dem vom Schrecken jetzt doppelt gebeugten Griechen so unähnlich, daß niemand in diesen beiden eine Person vermutet hätte. Als darum Chilon bemerkte, daß Ursus ihn für einen gänzlich Fremden hielt, atmete er erleichtert auf; der Anblick des Täfelchens mit der Schrift des Vinicius beruhigte ihn noch mehr. Wenigstens hatte er nicht zu befürchten, absichtlich in einen Hinterhalt gelockt zu werden. Außerdem wußte er nun, daß die Christen Vinicius nicht getötet hatten; offenbar weil sie es nicht gewagt hatten, an einer so hochgestellten Person sich zu vergreifen.
    „Vinicius wird mich beschützen“, dachte er, „dem Tode wird er mich nicht überliefern.“
    Er faßte sich also und sagte:
    „Guter Mann, hat mein Freund, der edle Vinicius, keine Sänfte geschickt? Meine Füße sind geschwollen, ich kann so weit nicht gehen.“
    „Nein“, antwortete Ursus, „wir werden zu Fuß gehen.“
    „Aber wenn ich mich weigere?“
    „Weigere dich nicht, denn du mußt gehen.“
    „Ich werde gehen, aber nicht, weil ich muß. Niemand kann mich, einen freien Mann, den Freund des Stadtpräfekten, zwingen. Als ein Weiser habe ich Mittel, andere zu überwinden, und vermag Menschen in Bäume und wilde Tiere zu verwandeln. Aber ich werde gehen, ich werde gehen. Ich will nur einen wärmeren Mantel und eine Kapuze holen, damit die Sklaven jenes Stadtteils mich nicht erkennen; denn sie würden überall stehenbleiben, um mir die Hände zu küssen.“
    Er legte einen neuen Mantel an und zog die weite gallische Kapuze über den Kopf, um Ursus gegenüber seine Gesichtszüge möglichst zu verbergen.
    „Wohin führst du mich?“ fragte er Ursus auf der Straße.
    „In den Stadtteil jenseits des Tibers.“
    „Ich bin noch nicht lange in Rom und war noch nie in jenem Viertel; aber ich denke, es werden auch dort tugendhafte Menschen wohnen.“
    Doch Ursus, so kindlich er in seinem Gemüt war, wußte von Vinicius, daß der Grieche mit diesem und Kroton im Ostrianum gewesen war und dann vor Lygias Haus gestanden hatte. Ursus blieb einen Augenblick stehen und sagte:
    „Lüge nicht, Alter, du warst heute mit Vinicius im Ostrianum und unter unserem Tore.“
    „Ah“, sprach Chilon, „dann ist euer Haus jenseits des Tibers. Ich bin noch nicht lange in Rom und kenne die Namen der Stadtteile noch nicht. Es ist wahr, Freund, ich stand unter dem Tore und flehte Vinicius im Namen der Tugend an, nicht einzutreten. Ich war im Ostrianum, und weißt du, warum? Seit einiger Zeit schon arbeite ich an der Bekehrung des Vinicius und wünschte, daß er das Haupt der Apostel höre. Möge das Licht des Glaubens seine und deine Seele durchdringen! Auch du bist Christ und ersehnst doch den Sieg der Wahrheit über den Irrtum.“
    „Das ist wahr“, antwortete Ursus mit Ehrfurcht.
    Chilons Mut kehrte zurück.
    „Vinicius ist ein mächtiger Herr“, sagte er, „und ein Freund des Cäsars. Doch lauscht er den Einflüsterungen des bösen Geistes; aber wenn nur ein Haar seines Hauptes gekrümmt würde, so ließe der Cäsar an allen Christen Rache nehmen.“
    „Uns schützt eine höhere Macht!“
    „Gewiß, gewiß; aber was gedenkt ihr mit Vinicius zu tun?“ forschte Chilon in neuer Unruhe.
    „Ich weiß es nicht. Christus befiehlt Barmherzigkeit!“
    „Du hast gut geantwortet. Denke immer so, oder du wirst einst in der Hölle braten wie ein Stück Fleisch in der Pfanne.“
    Ursus seufzte, und Chilon sah, daß er diesen Mann, der ihm bei der ersten Begegnung so schrecklich erschien, leiten konnte, wie er wollte. Er wünschte zu erfahren, was

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