Rächer des Herzens (German Edition)
und besser gelüftete Räume gab, als es diese trübe Zelle war, wo die Luft fast so stickig war wie weiter unten. Ihr wurde vor innerer Anspannung und Ekel richtig übel.
Drei Männer kauerten auf dem Fußboden und machten ein Spiel mit Würfeln und Spielmarken. Als die Tür sich öffnete, sahen sie kaum auf, so sehr richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf das Spiel. Zwar wurden nur Pennies eingesetzt, aber selbst wenn die Welt unterginge, würden sie ihr Spiel nicht abbrechen.
An einem grob gezimmerten Tisch saß eine schattenhafte Gestalt mit dem Rücken zum Licht. Schließlich bewegte er sich, und Isabella sah an dem Buch, das er in der Hand hielt, dass er gelesen hatte.
Obwohl der Kerkermeister John Ellis als mürrisch und übellaunig bezeichnet hatte, sah Isabella in seinem Gesicht Humor und Tatkraft. Dieser Gesichtsausdruck verschwand jedoch plötzlich, so als ob eine Kerze ausgeblasen worden wäre. Jetzt war nur noch grimmige Strenge zu sehen. In dem trüben Licht traten seine Gesichtszüge hart hervor. Die wettergebräunte Haut ließ darauf schließen, dass er längere Zeit in heißen Klimazonen zugebracht hatte. Die Züge seines kantigen Gesichts waren zu sehr ausgeprägt, als dass man es im üblichen Sinne als attraktiv bezeichnet hätte – doch von ihm ging eine Anziehungskraft aus, die viel bezwingender wirkte als nur gutes Aussehen. Es war eine Anziehungskraft, bei der es einem den Atem verschlug. Isabella hatte viele gut aussehende Männer kennengelernt. Eine Fürstin hatte diese Vorrechte. Allerdings hatte keiner dieser Männer sie so verwirrt, dass ihr der Atem stockte und sie fast ohnmächtig wurde.
John Ellis legte das Buch auf den Tisch und sah mit einem langen Blick zu ihr auf, blieb jedoch stumm.
„Stehen Sie auf, wenn eine Dame hereinkommt“, schnarrte der Kerkermeister.
Der Gentleman ließ seinen Blick in aufreizender Weise ganz gemächlich von oben bis unten über Isabellas Körper wandern. Dann nahm er ebenso gemächlich die Füße vom Tisch und straffte sich etwas, blieb aber nach wie vor sitzen. Immer noch wanderte sein herausfordernder Blick über ihre Gestalt, was Isabellas Blut in Wallung brachte, sodass sie hochmütig ihr Kinn vorschob. Seine Augen waren hart, und er hatte den Gesichtsausdruck eines Mannes, der in seinem Leben zu viel erfahren hatte, als dass er eine Gefühlsregung zulassen würde, die über bloße Gleichgültigkeit hinausging.
Plötzlich durchzuckte Isabella eine erschreckende Erkenntnis. Die Welt um sie herum schien zu verschwinden. Isabella war wieder siebzehn, fast noch ein Kind und gerade in die Gesellschaft eingeführt worden. Sie erinnerte sich daran, wie sie und dieser Gentleman sich zum ersten Mal gesehen hatten. Es war nicht in einem romantischen Ballsaal gewesen, sondern ganz schlicht bei einer Tasse Tee in dem abgewohnten Salon ihrer Tante in Salterton.
„Wer ist dieser junge Mann?“, hatte Isabella ihre Tante, Lady Jane Southern, gefragt. Und Jane hatte lächelnd geantwortet: „Er heißt Marcus Stockhaven und ist Leutnant bei der Marine.“ Jane hatte etwas die Stirn gerunzelt, als sie den Ausdruck gespannter Erwartung in Isabellas Gesicht sah. „Mach dir keine Hoffnungen, Bella, denn deine Mama würde die Verbindung nie erlauben. Er ist ein Niemand.“
Ihre Warnung war natürlich zu spät gekommen. Die Hoffnungen blühten in dem Augenblick auf, als Isabella dasaß und den unergründlichen dunklen Blick des Mannes auf sich gerichtet sah. Sie fühlte sich auf angenehme Weise erregt und unfähig, gegen ihr Schicksal anzukämpfen.
„Er hat kein Geld und keine Aussicht auf einen Platz in der Gesellschaft. Und deine Mama wünscht, dass du dich gut verheiratest.“ Janes warnende Worte waren verhallt wie ein Echo. Isabella hatte ihre Tante nicht weiter beachtet und sich kopfüber in die erste Liebe gestürzt. Es war eine Liebe, die aller Erwartung nach in eine Ehe hätte münden sollen. Aber dann war sie gezwungen worden, Fürst Ernest zu heiraten, und alles war schiefgegangen.
Nun da sie Marcus Stockhavens Blick begegnete – so wie zwölf Jahre zuvor in jenem Wohnzimmer –, wurde Isabella ganz stark von dem Gefühl erfasst, etwas verloren zu haben. Eine große Sehnsucht durchfuhr sie schmerzlich und ließ ihre Liebe, aber auch ihren Trennungsschmerz wieder ganz gegenwärtig werden. So als ob all die Gefühle, die sie für erloschen gehalten hatte, plötzlich wieder zu neuem Leben erwacht waren.
Dann sprach Stockhaven, und die Ketten der
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