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Rappen lernen

Rappen lernen

Titel: Rappen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Greif
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I see you, guaranteed to be in ICU .« – »Let’s picnic inside a morgue / Not pic-a-nic baskets, pic-a-nic caskets.« – »From the Beretta / puttin’ all the holes in your sweater.« – »Picked the Mac up, told brothers back up, the Mac spit / Lead was hittin’ niggas, one ran, I made him backflip.«
    Die Songs waren offensichtlich eine Mischung aus Straßenreportagen und Fantasieerzählungen. Aber die sensationalistische Medienberichterstattung, nach der Hip-Hop zu Gewalt führte, interessierte weiße Teenager ohnehin nicht sonderlich. Sie hatten eher damit zu tun, dass es sich makaber anfühlte, bei Liedern mitzusingen, in denen es um ein Thema ging, das Amerika einfach nicht in Angriff nehmen wollte, ein Problem, das großes Leid verursachte und ein moralisches Desaster für die Nation darstellte. Und dann stand da immer der Verdacht im Raum, dass es eben doch eine enthemmende Wirkung für eine von Todesfällen, bei denen Schusswaffen im Spiel waren, niedergedrückte Gesellschaft haben könnte, wenn man hörte, dass Ereignisse, bei denen Menschen erschossen wurden, als heroische Akte besungen wurden.
    Heute geht es, ich übe diese Texte. Im Kopf hatte ich sie ja ohnehin. Sie fühlen sich wie Fantasien oder Analogien an: für Konkurrenz, Stärke, alltägliche Auseinandersetzungen, für den Stolz der harten Kerle. »What’s my 33 motherfuckin’ name? / Serial killer.« – »I protect mine / with a Tec-9.« Ich kann solche Sachen aussprechen, ohne darüber nachzudenken. Aber in der Öffentlichkeit werde ich leiser. In der U-Bahn trainiere ich mit Kopfhörern, ich rappe einfach still vor mich hin. Doch immer wenn das Wort »Nigger« kommt, muss ich eine Entscheidung treffen. Meistens ersetze ich es durch »Brother«, selbst dann, wenn mich eigentlich niemand hört. Vielleicht können sie ja Lippen lesen? Das ist zwar peinlich und beschämend, aber so ist es eben, wenn ein Weißer rappt. Ich halte meine Faust vor den Mund, als müsste ich husten, und lasse sie einfach dort.

    Das größte Hindernis für politisierte weiße Mittelklasse-Teenager, die sich in den Neunzigern erstmals mit dem Hip-Hop aus den schwarzen Gettos konfrontiert sahen, stellte allerdings das Materialismus-Problem dar – und das war denn doch eine Überraschung.
    Man muss sich an dieser Stelle noch einmal die ökonomische Geschichte der schwarzen Amerikaner im 20. Jahrhundert vor Augen führen. Von der Phase der Reconstruction unmittelbar nach dem Bürgerkrieg bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein lebte die Mehrheit der Afroamerikaner nach wie vor im Süden. Als die Bundesregierung das Projekt der Reconstruction aufgab und ihre Truppen aus den Südstaaten abzog, so dass die ehemaligen Sklaven und ihre Nachfahren ihren physischen und juristischen Schutz verloren, begann dort ein brutales Regime der legalen Apartheid, der Ausbeutung in der Landwirtschaft und der terroristischen Lynchjustiz, das heute unter dem Namen »Jim Crow« bekannt ist.
    34 Parallel dazu erlebte die Landwirtschaft im Süden ihren Niedergang, im Norden entstanden neue Jobs in der Industrie (manche Fabriken warben sogar gezielt Schwarze aus dem Süden an), und so wuchs allmählich der Druck auf die Afroamerikaner, in den Norden abzuwandern. Im Zuge der Great Migration zwischen den Weltkriegen zogen sechs Millionen schwarzer Bürger in die großen Industriestädte im Nordosten, nach Chicago, Detroit und New York, oder nach Los Angeles. De facto wurde die Rassentrennung jedoch auch in den Fabriken im Norden erst während und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg aufgehoben. Die grausamste Pointe wartete allerdings noch auf die Neuankömmlinge, die man in Gettos in den am wenigsten begehrten Teilen der alten Industriestädte abgeschoben hatte und die davon träumten, eines Tages zur Mittelklasse in den Vororten zu gehören: Ab ungefähr 1964, dem Jahr also, in dem die Bürgerrechtsbewegung mit dem Civil Rights Act ihren Durchbruch erzielte, wurden auch sie zu Opfern der rasanten Deindustrialisierung und den damit verbundenen Arbeitsplatzverlusten, welche die USA in den sechziger und siebziger Jahren erfassten.
    Als die Jobs verschwanden und der Traum vom Eigentum und von einem stabilen Dasein in der Mittelklasse für viele zerplatzte, war der Rassismus immer noch da. Arbeiterviertel (einschließlich der ersten, ab den fünfziger Jahren entstandenen neuen Vororte, die nun ebenfalls von den Problemen der Innenstädte erfasst wurden), in denen zuvor

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