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Raus aus dem Schneckenhaus

Raus aus dem Schneckenhaus

Titel: Raus aus dem Schneckenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Morschitzky , Thomas Hartl
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sich nach außen hinzwar »wie ein scheues Reh«, bleiben innerlich aber kontaktbereit und kontaktfähig, wenngleich sie sich anfangs schwer einbringen können. Schüchternheit lässt sich im Laufe des Lebens leichter aus eigener Kraft überwinden als die Neigung zu sozialen Ängsten und Phobien. Schüchternheit ist oft nur ein vorübergehendes Phänomen, soziale Angst dagegen ein langjähriger, manchmal andauernder Zustand.
    Schüchtern sein bedeutet zwar, zurückhaltend aufzutreten, aber nicht zurückgezogen zu leben. Viele Schüchterne sind nicht introvertiert oder ungesellig, wie man aufgrund des äußeren Eindrucks leicht glauben könnte. Umgekehrt sind viele Introvertierte gar nicht schüchtern oder sozial ängstlich, sie beziehen vielmehr ihre Kraft aus sich selbst heraus und sind einfach gerne allein, sie haben keine sozialen Kontaktprobleme und können bei Bedarf durchaus in der Öffentlichkeit wirksam auftreten, es fehlt ihnen nur das Kontaktbedürfnis. Viele Schüchterne sehnen sich dagegen nach sozialem Kontakt, sie halten Gruppensituationen aber nur schwer aus, weil sie aufgrund ihrer Denkmuster, Gefühle, körperlichen Zustände und Verhaltensweisen nicht in der Lage sind, diese Kontakte befriedigend und erfolgreich mitzugestalten.
    Schüchterne Menschen können entweder introvertiert oder extrovertiert sein. Anders formuliert: Es gibt schüchterne und nichtschüchterne Introvertierte wie auch schüchterne und nichtschüchterne Extrovertierte. Es mag erstaunlich klingen: Introvertiert Schüchterne , die ihr Wesen einigermaßen akzeptiert haben, leiden unter ihrem So-Sein oft weniger als extrovertiert Schüchterne , die nach einer gewissen Aufwärmphase in gut strukturierten sozialen Situationen, wie etwa im Rahmen von Vereinen oder Ausbildungen, durchaus aktiv sein können, es aber in weniger gut strukturierten sozialen Situationen und vor allem in sehr persönlichen Begegnungen schwer haben, sich zu öffnen. Das Problem ist oft nicht die Schüchternheit an sich, sondern wie diese von den Betroffenen erlebt und bewertet wird. Je größer die Diskrepanz zwischen dem momentanen Ist-Zustand und dem gewünschten Soll-Zustand ist, desto größer ist der persönliche Leidensdruck.
    Schüchternheit wird gewöhnlich als ein Persönlichkeitsmerkmal verstanden, von dem das Verhalten in vielen verschiedenen Situationen geprägt wird. Zahlreiche Menschen sind jedoch nur in ganz bestimmten Situationen schüchtern, vor allem gegenüber fremden Menschen, gegenüber Autoritäten und gegenüber Personen des anderen Geschlechts.
    Sich schüchtern zu fühlen und sich schüchtern zu verhalten sind zwei unterschiedliche Dinge. Viele können es nicht glauben, doch schüchtern können auch Menschen sein, denen man es gar nicht ansieht. Ganz unterschiedliche Menschentypen und viele berühmte Persönlichkeiten – Politiker, Filmstars, Schauspieler, Musiker, Fernsehmoderatoren, Sportler – halten sich selbst für schüchtern, auch wenn sie in der Öffentlichkeit sehr erfolgreich auftreten. Zahlreiche Prominente, die im Rampenlicht stehen und dort spontan und schlagfertig auftreten, sind im privaten Bereich schüchtern, wenn sie keine Rolle mit vorgegebenem Dialog und Drehbuch innehaben, sondern Smalltalk pflegen und ein wenig über sich selbst erzählen sollen. Sie verhalten sich wie die zahlreichen schüchternen, aufgrund ihrer Fachkenntnis jedoch oft wortreichen Verkäufer im Baumarkt oder Elektrofachhandel, die nicht in der Lage sind, mit ihren Kolleginnen in der Pause auch nur fünf Minuten lang ein paar persönliche Dinge auszutauschen.
    Die privat bzw. heimlich Schüchternen sind gegenüber den offen Schüchternen ganz deutlich in der Mehrheit: Nur knapp 20 Prozent der Schüchternen sind auffällig schüchtern, mindestens 80 Prozent der Schüchternen sind dagegen »heimlich schüchtern«. Schüchterne Menschen sind keine »geborenen Versager«; sie können im beruflichen und privaten Leben durchaus sehr erfolgreich sein. Das Bild der Schüchternheit ist deshalb so negativ, weil es von der Sicht auf sozial ängstliche Personen geprägt ist, die in sozialen Situationen so beeinträchtigt sind, dass sie deswegen unangenehm auffallen oder gar erhebliche Folgeprobleme in Kauf nehmen müssen.
Zwei Grundformen der Schüchternheit
    Fachleute unterscheiden zwei Arten der Schüchternheit:
Schüchternheit als Temperamentsfaktor . Diese Form der Schüchternheit äußert sich in einer konstitutionell bedingten Verhaltensgehemmtheit,

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