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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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dem unvermeidlichen Lorgnon.
    So schritt sie auf ihren gewohnten Tisch neben dem Fenster in der Ecke des Speisesaals zu und musterte, das Lorgnon vor ihre Schweinsäuglein hebend, rechts und links den Schauplatz, um schließlich auszurufen: «Nicht eine einzige bekannte Persönlichkeit; ich werde der Direktion sagen, daß sie meine Rechnung heruntersetzen müssen.
    Was glauben die denn, weshalb ich herkomme? Um mir die Hotelpagen anzusehen?» Und dann rief sie den Kellner mit einer Stimme, so scharf und abgehackt, daß sie die Luft wie eine Säge durchschnitt.
    Wie sehr unterscheidet sich doch das kleine Restaurant, in dem wir jetzt zu essen pflegen, von dem geräumigen, prunkvoll eingerichteten und festlich geschmückten Speisesaal des Hotels Côte d’Azur in Monte Carlo; und wie anders ist mein gegenwärtiger Gefährte, der mit seinen sicheren, schön geformten Händen so methodisch und ruhig eine Mandarine schält und dann und wann von dieser Beschäftigung aufsieht, um mir zuzulächeln; wie anders im Vergleich zu Mrs. Van Hopper, die mit ihren dicken, beringten Händen nach einer gehäuften Schüssel Ravioli griff, während ihr Blick mißtrauisch von ihrem Teller zu meinem wanderte aus lauter Besorgnis, ich könnte die bessere Wahl getroffen haben. Das hätte sie nicht zu beunruhigen brauchen, denn der Kellner hatte mit der unheimlichen Schnelligkeit der Leute seines Berufes bereits seit langem meine untergeordnete Stellung erkannt und mir ei-ne Platte mit Schinken und Zunge vorgesetzt, die irgend jemand vor einer halben Stunde zum Büffet zurückgeschickt hatte, weil das Fleisch schlecht geschnitten war.
    Sonderbar, diese Mißgunst von Bediensteten und ihre offensichtliche Ungeduld! Ich entsann mich, wie ich einmal mit Mrs. Van Hopper in einem Landhaus zu Gast war und wie das Stubenmädchen dort niemals mein zaghaftes Klingeln beachtete, mir nie meine Schuhe heraufbrachte und den morgendlichen Tee einfach vor meine Zimmertür stellte. Im Côte d’Azur war es dasselbe, wenn auch nicht ganz so arg, und manchmal verwandelte sich die vorsätzliche Gleichgültigkeit in plumpe Vertraulichkeit, was mir beispielsweise den Einkauf von Briefmarken beim Portier zu einer Strafe machte, der ich mich entzog. Wie jung und unerfahren muß ich damals gewirkt haben, und wie sehr fühlte ich mich auch so! Ich war zu zart besaitet, zu unreif; so viele Worte empfand ich als Dornen und Nadelstiche, die in Wirklichkeit nur leichthin geäußert worden waren.
    Ich erinnere mich jener Platte mit Schinken und Zunge noch genau. Sie sahen so trocken und unappetitlich aus, diese unförmigen Stücke vom Anschnitt und vom Rest, aber ich hatte nicht den Mut, sie zurückzuweisen. Wir aßen schweigend, denn Mrs. Van Hopper liebte es, sich ganz aufs Essen zu konzentrieren, und die Art und Weise, wie ihr Sauce über das Kinn lief, verriet mir, daß die Ravioli ausgezeichnet schmeckten.
    Dieser Anblick war nicht geeignet, mir großen Appetit auf meine kalte Platte zu machen, und als ich fortsah, bemerkte ich, daß der Tisch neben uns, an dem drei Tage lang niemand gesessen hatte, wieder besetzt werden sollte.
    Der Empfangschef führte den Neuankömmling mit den besonders tiefen Verbeugungen, die er nur angeseheneren Gästen zukommen ließ, zu seinem Platz. Mrs. Van Hopper legte ihre Gabel hin und griff nach dem Lorgnon. Ich errötete für sie, während sie so starrte, aber der Fremde warf, ohne zu ahnen, welches Interesse er erregt hatte, einen prüfenden Blick auf die Speisekarte. Dann klappte Mrs. Van Hopper ihr Lorgnon mit einem Knips zusammen und beugte sich über den Tisch zu mir; ihre kleinen Augen leuchteten vor Erregung, und ihre Stimme war eine Nuance zu laut.
    «Das ist Max de Winter», sagte sie, «der Besitzer von Manderley. Sie haben doch gewiß davon gehört. Er sieht elend aus, finden Sie nicht? Man erzählt sich, daß er über den Tod seiner Frau nicht hinwegkommen kann …»

3
    Ich möchte wohl wissen, wie mein Leben heute aussehen würde, wäre Mrs. Van Hopper nicht so ein Snob gewesen.
    Komisch, daß meine Zukunft von dieser Eigenschaft ab-hängen sollte. Ihre Neugier war eine Krankheit, fast eine Manie. Anfangs war ich entsetzt und peinlich berührt; ich fühlte mich wie ein Prügelknabe, der die Leiden seines Herrn auf sich nehmen muß, als ich beobachtete, wie die Leute hinter ihrem Rücken lachten, schleunigst das Zimmer verließen, wenn sie es betrat, oder gar oben im Korridor hinter der Tür, die zu der Treppe für das

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