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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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überschwemmten die Terrasse, sie lümmelten sich auf den Wegen herum, gemein und ohne Haltung lehnten sie sich sogar gegen die Fenster des Hauses. Sie taugten aber nicht viel zum Wachtdienst, denn an vielen Stellen durchbrach die Rhabarberstaude bereits ihre Reihen, und mit zertretenen Köpfen und kraftlosen Stengeln lagen sie am Boden, wo Kaninchen sich einen Pfad gebahnt hatten. Ich verließ die Anfahrt und stieg auf die Terrasse; mir boten die Nesseln in meinem Traum kein Hindernis, ich schritt verzaubert, und nichts hielt mich auf.
    Das Mondlicht kann der Einbildung merkwürdige Streiche spielen, auch der Einbildung eines Träumers. Wie ich da still, mit verhaltenem Atem stand, hätte ich schwören können, das Haus sei nicht bloß eine leere Schale, sondern belebt und beseelt, wie es früher gelebt hatte.
    Die Fenster waren hell erleuchtet, die Vorhänge bauschten sich leise im Nachtwind, und dort, in der Bibliothek, stand gewiß noch die Tür halb offen, die wir zu schließen vergessen hatten, und mein Taschentuch lag auf dem Tisch neben der Vase mit den Herbstrosen.
    Alles in dem Zimmer mußte noch beredt von unserer Anwesenheit sprechen: der kleine Bücherstoß aus der Bibliothek, als gelesen abgezeichnet, um wieder zurückgestellt zu werden; und die alten Nummern der Times ;
    Aschenbecher mit zerdrückten Zigarettenstummeln; die zerknüllten Kissen in den Stühlen, die noch den Abdruck unserer Köpfe trugen; die verkohlte Glut unseres Holzfeuers, die schwelend den Morgen erwartete; und Jasper, unser lieber Jasper, mit seinen ausdrucksvollen Augen und seinen schweren hängenden Lefzen, lag bestimmt noch vor dem Kamin
    ausgestreckt und würde mit dem Schwanz auf den Boden trommeln wie stets, wenn er die Schritte seines Herrn vernahm.
    Eine Wolke war ungesehen heraufgekommen und bedeckte den Mond für einen Augenblick.
    Mit ihm verlöschten die Fenster; das Traumbild war verflogen, und um die starrenden Mauern raunte nicht länger die Stimme der Vergangenheit.
    Das Haus war ein Grabmal unserer Hoffnungen, und unsere Leiden lagen in den Ruinen begraben. Es gab keine Wiederauferstehung. Wenn ich bei Tag an Manderley dächte, würden die Gedanken nicht bitter sein. Ich würde so daran zurückdenken, wie es hätte sein können, wäre ich ohne Furcht dort gewesen. Ich würde mich an den som-merlichen Rosengarten erinnern, an den Vogelsang in der Morgenfrühe; wie wir den Tee unter dem Kastanienbaum tranken und das Flüstern der See von unten über die Rasenflächen zu uns heraufdrang. Ich würde mich an den blühenden Flieder erinnern und an unser glückliches Tal.
    Diese Dinge waren dauernd, sie konnten nicht vergehen; diese Erinnerungen taten nicht weh.
    Alles klärte sich in mir auf, während die Wolke das Gesicht des Mondes verhüllte, denn wie die meisten Schläfer wußte ich, daß ich träumte. In Wirklichkeit lag ich viele hundert Meilen weit weg in einem fremden Land, und in Kürze würde ich in dem kleinen kahlen
    Hotelzimmer er-wachen, das gerade durch seine Nüchternheit so beruhigend wirkte. Ich würde aufseufzen, mich strecken und auf die Seite drehen; und beim Öffnen der Augen würde mich die blendende Sonne verwirren, dieser harte hohe Himmel, dem sanften Mondschein meines Traums so gar nicht ähnlich. Der Tag würde vor uns beiden liegen, lang ohne Zweifel und ereignislos, aber von einer Stille, einer voll-kommenen Ruhe erfüllt, die wir früher nicht gekannt hatten. Wir würden nicht von Manderley sprechen; ich würde meinen Traum für mich behalten. Denn Manderley war nicht mehr unser. Manderley bestand nicht mehr.

2
    Wir können nie wieder zurück, das steht fest. Die Vergangenheit ist uns noch zu nah. Alles, was wir zu vergessen versuchten und hinter uns lassen wollten, würde wieder aufgerührt, und jenes Gefühl von Furcht, von heimlicher Unruhe, das schließlich in blinde, unsinnige Panik ausartete – und sich nun Gott sei Dank gelegt hat –, könnte auf unvorhergesehene Weise zum ständigen Begleiter unseres Lebens werden, wie es das fast schon einmal geworden war.
    Er ist bewundernswert geduldig und beklagt sich nie, selbst dann nicht, wenn die Erinnerungen ihn heimsuchen … was, glaube ich, viel öfter geschieht, als er mich wissen lassen möchte.
    Ich merke es sofort daran, wie abwesend und wie verwirrt er plötzlich aussieht; jeder Ausdruck schwindet aus seinem geliebten Gesicht, als ob eine unsichtbare Hand ihn fortwische, und statt dessen formt sich eine Maske, ein steinernes

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