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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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uns weg, hoch über die Baumwipfel, außer Seh-und Hörweite. Als sie fort waren, senkte sich neues Schweigen über den Platz, und ich – unruhig, ohne zu wissen, warum – stellte nun fest, daß die Sonne nicht mehr auf den rauschenden Blättern lag, daß die Zweige dunkler und die Schatten länger geworden waren; und zu Hause gab es frische Himbeeren zum Tee. Da erhob ich mich von meinem Farnkrautlager, schüttelte den leichten Staub des vorjährigen Laubes von meinem Rock, pfiff Jasper und machte mich auf den Weg nach Hause; und während ich ausschritt, verachtete ich mich wegen meiner eiligen Gangart und dem hastigen Blick zurück.
    Merkwürdig, daß ein Artikel über Waldtauben die Vergangenheit so lebhaft wachrufen und mich zum Stottern bringen konnte, als ich vorlas. Es war der verlorene graue Ausdruck in seinem Gesicht, der mich unvermittelt abbrechen und die Seiten umwenden ließ, bis ich einen Bericht über ein Kricketspiel fand, sehr sachlich und nüchtern –
    Middlesex war am Schlag und sammelte unendlich langweilige Läufe. Wie dankbar ich jenen sturen weißen Spie-lern war, denn innerhalb von wenigen Minuten hatte sein Gesicht wieder ein ruhiges Aussehen gewonnen, die Farbe war zurückgekehrt, und in gesundem Ärger verspottete er die Werfer von Surrey.
    Der Rückzug in die Vergangenheit war uns erspart geblieben, und ich hatte wieder etwas gelernt; ja, lies nur die Nachrichten aus England vor, Sport, Politik und das ganze gesellschaftliche Getue, aber behalte in Zukunft die Dinge, die weh tun könnten, für dich! Ich kann ihnen ja heimlich frönen. Farben, Düfte und Geräusche, der Regen und der Anprall des Wassers, sogar die Herbstnebel und der Geruch des Seewindes, der die Flut anzeigt – das alles sind Erinnerungen an Manderley, die sich nicht verleugnen lassen. Manche Menschen haben die Angewohnheit, im Kursbuch zu lesen. Sie denken sich unzählige Reisen aus, kreuz und quer durchs Land, einzig um des Vergnügens willen, die unmöglichsten
    Zugverbindungen herzustellen.
    Mein Steckenpferd ist weniger ermüdend, wenn auch vielleicht ebenso sonderbar. Ich bin eine unerschöpfliche In-formationsquelle über das englische Landleben. Ich kenne die Namen aller Besitzer sämtlicher britischer Hochmoore, jawohl, und auch die ihrer Pächter.
    Ich weiß, wie viele Schnee-und wie viele Rebhühner erlegt werden, wieviel Wild zur Strecke gebracht wird. Ich weiß, wo Forellen auf Fliegen gehen und wo der Lachs springt. Ich bin bei jedem Stelldichein zur Fuchsjagd und folge jeder Hatz. Selbst die Namen der Züchter von Jagdhunden sind mir vertraut. Der Stand des Getreides, der Preis von Schlachtvieh, die rätselhaften Krankheiten der Schweine – ich interessiere mich für alles. Ein kümmerlicher Zeitvertreib vielleicht und nicht gerade ein sehr kluger, aber ich atme die Luft Englands, während ich davon lese, und kann diesen glänzenden Himmel hier mit größerer Gelassenheit betrachten.
    Die struppigen Weingärten und die bröckligen Steine werden zu unwesentlichen Dingen, denn wenn ich will, kann ich meiner Einbildungskraft die Zügel schießen lassen und gelben Fingerhut und die zarten Pechnelken von einem feuchten Wiesenrain pflücken.
    Armselige Spielereien der Phantasie, tröstend und lindernd! Sie sind der Feind von Bitterkeit und Heimweh und versüßen dieses Exil, zu dem wir uns selbst verurteilt haben.
    Ihnen verdanke ich es, daß ich meine Nachmittage genießen kann und erfrischt und lächelnd ins Hotel zurückkehre, um die kleine Zeremonie unseres Nachmittags-Tees über mich ergehen zu lassen. Das Gedeck ändert sich nie.
    Zwei Scheiben Brot mit Butter für jeden und chinesischer Tee. Wir müssen schon recht stumpfsinnig wirken, so an einer Sitte festzuhalten, nur weil wir es von England her gewöhnt sind. Hier, auf diesem schmucklosen Balkon, weiß und unpersönlich in der ewigen Sonne, denke ich an die Teestunde um halb fünf in Manderley, wenn der Tisch vor den Kamin in der Bibliothek gerückt wurde. Pünktlich auf die Minute öffnete sich die Tür, und das sich stets gleichbleibende Schauspiel des Tischdeckens begann mit Silbertablett, Wasserkessel und weißem Leinentuch, während Jasper mit seinen hängenden Spanielohren dem Kuchen gegenüber Gleichgültigkeit heuchelte. Dieses reich bestellte Tischleindeckdich wurde immer wieder vor uns ausgebreitet, und doch aßen wir so wenig.
    Das buttertriefende Gebäck – ich sehe es noch genau vor mir. Kleine knusprige, dreieckige Toastscheibchen

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