Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
fürchterlich ins Schleudern geraten und in die Säulen hineingekracht. Man hörte Holz splittern, als das Pferd weiterpreschte und dabei Zügel, Pferdegeschirr und Holzteile hinter sich herschleifte.
Schnell wie ein geölter Blitz brachte Cluny sich mit einem gekonnten Sprung in Sicherheit. Wie eine Katze landete er auf allen vieren, während der Heuwagen kopfüber in den Straßengraben stürzte, wo die metallbeschlagenen Räder sich quietschend weiterdrehten.
Cluny fühlte sich erfrischt von der Wahnsinnsfahrt. Er war wieder einmal mit knapper Not davongekommen und stolzierte nun mit großen Schritten zum Rand des Grabens. Die qualvollen Rufe all jener, die unter dem Wagen feststeckten, drangen an sein Ohr. Angewidert spuckte er vor ihnen aus und sein eines, heiles Auge verengte sich.
»Nun macht schon! Seht zu, dass ihr da rauskommt, ihr kriechender Haufen Katzenfutter!«, brüllte er. »Gierschlund! Schwarzkralle! Wenn ihr mir nicht sofort Bericht erstattet, mache ich Hackfleisch aus euch!«
Noch ganz benommen, schleppten sich seine zwei Gefolgsratten aus dem Graben.
Knall! Fetz! Der Peitschenschwanz machte ihnen Beine, sodass sie sofort an seine Seite sprangen.
»Dreibein und Kratzer sind tot, Käpten.«
»Mausetot. Der Wagen hat sie zerquetscht, Käpten.«
»Blöde Idioten!«, fauchte Cluny. »Geschieht ihnen ganz recht! Wie sieht es mit den Übrigen aus?«
»Der alte Wurmschwanz hat eine Pfote verloren. Ein paar von den anderen sind schwer verletzt.«
Cluny höhnte: »Ach was, die werden es überleben. Was meint ihr, wie schlecht es denen erst gehen wird, wenn ich sie richtig in die Mangel nehme. Die werden mir zu fett und faul, verdammt noch mal! Auf hoher See würden die in einem Sturm keine fünf Minuten durchhalten. Nun macht schon, ihr lumpigen Langweiler! Bewegt euren Hintern hier rauf und versammelt euch!«
Die Ratten quälten sich aus dem Graben und dem Wagen – hektisch bemüht, dem strengen Befehl so schnell wie möglich nachzukommen. Sie drängten sich um den unbeschädigten Torpfosten, auf dem ihr Anführer thronte. Keiner wagte es, zu weinen oder sich über Schmerzen zu beklagen. Man konnte ja nie wissen, was der Kriegsherr gerade für eine Laune hatte.
»Gut, dann spitzt mal eure Lauscher und hört mir zu«, stieß Cluny wütend hervor. »Als Erstes müssen wir herausfinden, wo wir hier gelandet sind. Also schauen wir uns erst einmal hier um.«
Gierschlund hielt seine Klaue hoch. »Dies ist die Kirche von St. Ninian, Käpten. Das steht auf dem Schild da drüben.«
»Na ja, was solls«, schnauzte Cluny. »Das reicht erst mal als Ankerplatz, bis wir was Besseres gefunden haben. Reißzahn, Käseklau!«
»Hier, Käpten.«
»Durchkämmt die Gegend. Seht zu, dass ihr eine bessere Bleibe für uns findet als diese Bruchbude. Haltet euch Richtung Westen. Ich glaube, wir sind auf dem Weg hierher an einem großen Gemäuer vorbeigekommen.«
»Ay, ay, Käpten.«
»Froschblut! Drecknase!«
»Käpten?«
»Schnappt euch fünfzig Soldaten und seht zu, dass ihr ein paar Ratten aufgabelt, die sich hier in der Gegend auskennen. Nehmt große, kräftige Ratten, aber bringt auch gleich ein paar Wiesel, Hermeline und Frettchen mit. Die tuns im Notfall auch. Und merkt euch das eine: Lasst euch nicht an der Nase herumführen. Haut ihre Behausungen kurz und klein, sodass sie nichts mehr haben, was sie hält. Wenn sich jemand weigert mitzukommen, bringt ihr ihn auf der Stelle um. Verstanden?«
»Alles klar, Käpten.«
»Zottelohr, Räudefell! Nehmt zwanzig Ratten mit und sucht nach etwas Essbarem. Die anderen gehen in die Kirche. Gierschlund, Schwarzkralle, überprüft die Rüstungen. Seht euch um, ob es hier irgendetwas gibt, woraus man Waffen machen kann; Zäune mit Eisenspitzen gibt es normalerweise genug auf einem Kirchhof. An die Arbeit!«
Cluny war angekommen!
7
Matthias war in seinem Leben noch niemals eine ganze Nacht lang aufgeblieben. Er war zwar ein wenig müde, aber eigenartig aufgeregt. Sein Bericht schien große Ereignisse ins Rollen gebracht zu haben.
Gleich nachdem der Abt über den Zwischenfall mit dem Heuwagen informiert worden war, ließ er eine außerordentliche Ratsversammlung aller Bewohner von Redwall einberufen. Und wieder einmal war die Wohnhöhle bis zum letzten Platz besetzt, diesmal war der Anlass jedoch ein ganz anderer als bei dem Fest. Konstanze und Matthias standen vor dem Ältestenrat. Um sie herum war ein Geflüster und Getuschel zu vernehmen.
Abt Mortimer
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