Reise durch die Sonnenwelt
oder für das neue Sphäroïd, das jetzt Hector Servadac und seine fünfunddreißig Gefährten durch die Sonnenwelt trug? Sollten sich diese Ueberlebenden von der alten Et de als Bewohner jener Gallia ansehen oder nicht?
So lauteten etwa die Hauptfragen. Wer konnte aber dafür stehen, ob Alles, was sie mühsam ausgeklügelt, nicht jämmerlich zusammenfiel, wenn sich ihre Voraussetzung, sich auf einem von der Erdkugel abgerissenen Bruchstück zu befinden, unerwarteter Weise nicht bestätigen sollte?
»Nun, zerbrechen wir uns den Kopf nicht weiter, rief endlich Hector Servadac, Professor Rosette ist hier, um uns das Richtige zu sagen, und er wird es daran nicht fehlen lassen.«
Da Kapitän Servadac einmal auf Professor Rosette zu sprechen kam, so theilte er seinen Genossen Einiges über seinen früheren Lehrer mit, z.B. daß er ein Mann sei, mit dem sich nur schwer in gutem Einvernehmen leben lasse und der zu seinen Nächsten gewöhnlich in ziemlich gespanntem Verhältnisse stehe. Er schilderte ihnen denselben als ein unverbesserliches Original von größter Starrsinnigkeit und heftigem Temperamente, im Grunde aber als einen sehr braven Mann. Seiner Ansicht nach würde es am besten sein, seinen Unwillen immer ruhig austoben zu lassen, wie man etwa ein Unwetter unter Dach und Fach vorüberziehen lasse.
Nach Vollendung dieser kleinen biographischen Skizze durch Kapitän Servadac nahm Graf Timascheff das Wort und sagte:
»Halten Sie sich versichert, Kapitän, daß wir Alles thun werden, um mit Professor Rosette auf gutem Fuße zu bleiben. Durch die Mittheilungen seiner Beobachtungen wird er uns natürlich einen geographischen Dienst erweisen, doch halte ich das nur unter einer Bedingung für möglich.
– Und diese Bedingung wäre? fragte Kapitän Servadac.
– Nun die, daß er selbst wirklich der Verfasser jener von uns aufgefangenen Documente ist.
– Und daran könnten Sie zweifeln?
– Nein, Kapitän. Alle Wahrscheinlichkeiten sprechen ja gegen mich und ich erwähnte das nur, um keine ungünstige Hypothese unberücksichtigt zu lassen.
– Ei, wer sollte denn jene verschiedenen Notizen verfaßt haben, wenn nicht mein alter Lehrer? bemerkte Kapitän Servadac.
– Vielleicht doch ein anderer auf irgend einem anderen Punkte der Erde zurückgebliebener Astronom.
– Das kann nicht wohl der Fall sein, fiel Lieutenant Prokop da ein, da nur jene Documente uns mit dem Namen ›Gallia‹ bekannt machten und Professor Rosette dasselbe Wort gleich zuerst aussprach.«
Auf diesen sehr richtigen Einwurf gab es wirklich keine Antwort, und es wurde unzweifelhaft, daß nur der Einsiedler von Formentera der Urheber jener Nachrichten sein könne. Was er auf jener Insel zu schaffen hatte, durfte man ja aus seinem eigenen Munde zu erfahren hoffen.
Zum Ueberfluß waren nicht nur seine Thür, sondern auch seine Bücher mitgenommen, und man hielt es für keine Indiscretion, dieselben einstweilen zu consultiren.
Es geschah.
Die Schriftzüge und Ziffern rührten offenbar von derselben Hand her, welche auch die Documente verfaßt hatte. Die Thür erwies sich vollständig bedeckt mit algebraischen Zeichen, die mittels Kreide geschrieben waren und welche man höchst sorgfältig zu bewahren suchte. Die Papiere bestanden in der Hauptsache aus losen Blättern mit mathematischen Figuren darauf. Hier kreuzten sich Hyperbeln, jene offenen Curven, darin beide Schenkel unendlich lang sind und sich immer weiter von einander entfernen; Parabeln, d.s. Curven, welche sich durch ihre zurückkehrende Form auszeichnen, deren Schenkel jedoch ebenfalls unendlich lang sind; endlich Ellipsen, d.s. immer in sich geschlossene Curven, wenn sie auch eine noch so verlängerte Form besitzen.
»Schüler Servadac, 500 Zeilen Strafarbeit bis morgen. (S. 244.)
Lieutenant Prokop bemerkte hierbei erläuternd, daß sich diese verschiedenen Bogen alle auf Kometenbahnen bezögen, welche parabolische, hyperbolische oder elliptische sein könnten, wodurch gleichzeitig gesagt ist, daß die in den beiden ersteren Fällen von der Erde aus beobachteten Kometen niemals nach unserem Horizonte zurückkehren können, während sie im dritten Falle periodisch und in mehr oder weniger größeren Zwischenräumen wieder erscheinen.
»Daß Sie mir die Thür öffnen, Herr Ben-Zouf!« (S. 253.)
Es lag also schon nach Einsichtnahme der Papiere und jener Thür auf der Hand, daß sich der Professor mit der Berechnung der Elemente eines Kometen beschäftigt habe;
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