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Reise ohne Ende

Reise ohne Ende

Titel: Reise ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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gesehen hatten, die gleiche machtvolle Stirn, weit auseinanderliegende, katzenähnliche Augen und der kräftige Hals.
    »Ozymandias«, sagte Ramie, und erklärte es ihm auf seinen verständnislosen Blick hin. »Das Gedicht, aus dem Rae zitiert hat. König der Könige in uralter Geschichte oder in einer Legende von irgendwoher; eine Welt, die er gebaut hat, und von der er glaubte, sie sei für die Ewigkeit …«
    »Das ist der Name, den ich dieser Welt geben werde«, sagte Rae hinter ihnen. »Privileg des Kapitäns … Sonst ist davon so gut wie nichts mehr übrig. Ah, dieser verdammte Knöchel …«
    »Durch diesen Bogen«, sagte Gildoran und leuchtete mit seinem Scheinwerfer in den nächsten Raum. »Rae, ich lasse dich äußerst ungern dort im Dunkeln …«
    »Mir geht es gut, geht ihr nur und schaut es euch an«, sagte Rae. Ramie stieß einen Schrei der Überraschung aus.
    »Sieh mal, was da steht … ah, ich weiß, was das ist: der untere Teil der Statue, die wir droben gesehen haben … und diese Fresken an der Wand. Morgen können wir Scheinwerfer hier herunterbringen und sie uns richtig ansehen.«
    Sie bewegten sich langsam in der Finsternis außerhalb des Lichtkreises ihres Scheinwerfers, und Gilramie stolperte über einen hüfthohen Gegenstand.
    »Sieh mal, eine Steintruhe …«
    »Die sollten wir nicht öffnen«, warnte Gildoran. »Was auch immer darin ist – es kann zu Staub verfallen, wenn es mit der Luft in Berührung kommt.«
    »Sie ist schon teilweise offen«, widersprach Ramie. »Der Verschluß hat sich verschoben, als die Decke von oben darauf gestürzt ist …«
    Auf diesen Einwand hin gab Gildoran den Scheinwerfer an Ramie weiter und schob die Abdeckung zur Seite. In der Truhe lag ein vertrockneter Körper, so klein wie ein Kind. Er schwenkte den Scheinwerfer um sich und sah weitere sehr kleine Steintruhen und Särge.
    »Eine Grabkammer. Aber woran sind sie gestorben?«
    »Was wissen wir davon? Nie werden wir das wissen«, sagte Ramie. »Seuche. Mißernte. Hunger. Krieg. Schau dir die Fresken an.«
    Die Reliefs waren einst bemalt gewesen, aber nach so langer Zeit war kein Farbfleck mehr an den behauenen Wänden übrig. Allein der Stein war noch zu sehen. Die beiden jungen Späher folgten der Wand, kamen in weitere Räume und sahen sich fasziniert Bilder von den katzenhaften Kreaturen an, wie sie riesigen Steinwesen Opfer brachten, merkwürdige Boote ruderten (und damit die Vermutung bestätigten, daß sie sich an der Küste eines ehemaligen Meeres befanden), Netze auswarfen, seltsame Meerestiere zerlegten, Felder mit den Knollengewächsen ernteten, die sie oben vorgefunden hatten, und wie sie zu gigantischen Festmahlen versammelt waren.
    Das erinnerte Gildoran daran, daß er außer der Kälte in den klammen unterirdischen Räumen auch Hunger verspürte. In seiner Tasche hatte er einige Rationen, wenn auch nicht genug für alle drei, und die Mahlzeit, die sie früher am Tag um die Mittagszeit eingenommen hatten, hatte sie weiter dezimiert. Aber sie hatten ja noch die Knollen, die sie früher geerntet hatten. Davon konnten sie sich morgen noch mehr holen – sie waren auf jeden Fall in ausreichender Menge vorhanden!
    Ramie protestierte: »Aber schau doch nur, da hinten sind noch mehr Räume …«
    »Wenn von dem Dach noch mehr einstürzt, sind wir von Rae abgeschnitten«, ermahnte sie Gildoran. »Meiner Ansicht nach sollten wir zusammenbleiben, und morgen können wir noch mehr erforschen.«
    »Sieh mal hier, Gildoran, die Steinsärge in diesem Raum – sie sind alle größer, und die Bilder reichen an den Wänden höher hinauf! Das ist doch merkwürdig – als wären die Leute fast doppelt so groß geworden. Oder als wären sie zusammengeschrumpft. Wovon kann das kommen?«
    »Weiß der Himmel«, sagte Gildoran und leuchtete die Reliefs an. »Aber jetzt komm, wir müssen zurück zu Rae.«
    Sie gingen langsam und in Kurven, um den allgegenwärtigen Särgen auszuweichen, die zu Mustern angeordnet auf dem Boden des Raums standen, in den ersten Raum zurück, wo Rae noch immer in die Folie eingewickelt an der Wand kauerte. Gildoran und Ramie verteilten die dürftigen Rationen aus den Taschen, während Gildoran mit seinem Messer zwei oder drei von den Knollen zerteilte. Als er auf dem geschmacklosen, weißlichen Zeug herumkaute, dachte er, daß er das nicht jeden Tag essen wollte.
    »Überlegt euch das nur – davon haben sie gelebt, und wir sind seit wer weiß wie vielen tausend Jahren die ersten lebenden

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