Maenner können auch anders
18. 3.
00:15
Okidoki, Mike-Boy,
geschenkt, wir begegnen uns also auf Augenhöhe.
Halten wir zwei Dinge fest:
Jeder von uns hat den Rechner des anderen und gibt ihn nicht heraus.
Es ist davon auszugehen, dass jeder sämtliche Dateien des anderen lesen wird.
Was folgt daraus? Ärger? Wut? Empörung? – Klar, das war die erste Welle.
Aber wie geht es jetzt weiter?
Wenn ich darüber nachdenke, sehe ich in unserer Situation auch Chancen. Es ist doch allgemein so, dass man Problemlösungen bei anderen viel klarer sieht als für sich selbst. Warum sollte ein Fremder wie Sie nicht mal mein Leben kommentieren? Was habe ich zu verlieren? Gut, ich fürchte natürlich, dass mein Leben deutlich langweiliger ist als Ihres: Wohlsituierter Familienvater trifft coolen Großstadtsingle. Das Aufregendste haben Sie ja schon entdeckt: Ja, die Blonde ist meine Ehefrau Maybritt, die Dunkle meine Exgeliebte. Zum Glück habe ich das alles mit Maybritt besprochen, das war eine harte Zeit, aber unsere Beziehung ist gestärkt daraus hervorgegangen.
Shit happens, so ist es nun mal.
Wenden wir uns lieber den Chancen zu. Ich bin sicher, dass sich mit Carola und Ihnen großartige Perspektiven eröffnen werden, wenn Sie die Dinge inIhrem Leben etwas klarer angehen. Was nicht unbedingt spießiger heißt: Mir ist schon klar, dass Carola als ehemaliges Attac-Mitglied nicht in den Vorstand der Deutschen Bank strebt (oder doch?). Trotzdem, wenn es eine Wahrheit neben dem Tod gibt, ist es die: Frauen suchen Sicherheit. Das heißt in Carolas Fall nicht unbedingt Geld, da können Sie sich glücklich schätzen, es gibt viele andere Frauen, die achten nur darauf.
Aber innere Sicherheit, die sollten Sie schon mit in die Beziehung einbringen.
Das fängt ganz konkret bei Ihren Projekten an. Darf ich Sie als Marketingexperte auf ein paar thematische Unschärfen hinweisen?
Da ist zum Beispiel die Website, die Sie für das Kindertheater »Robinson & Freitag« gestaltet haben (toll, Theater für die ganz Kleinen, ab 3). Ihr Entwurf ist kreativ, mit Luftballons, die in den Himmel fliegen, und interaktiven Spielen. Alles, was einem so als Erstes einfällt. Sie fahren auf, was Sie an Grafik draufhaben, und das ist eine Menge. Nur: Sie bleiben bei sich, nehmen sich wichtig, obwohl Sie der Unwichtigste in dem ganzen Spiel sind.
Was wissen Sie denn über Ihre Zielgruppe?
Warum sollen Eltern mit so kleinen Kindern in ein Theaterstück von »Robinson & Freitag« gehen? Was ist dabei das übergeordnete Thema, die Frage, die beantwortet werden muss?
Kreativität? – Nein, das setzt man voraus. Mit bunten Luftballons werben auch politische Parteien und Drogeriemärkte.
Lieber Mike, Sie können mehr!
Der übergeordnete Begriff heißt: VERTRAUEN.
Die Eltern, die so etwas mit ihren Kindern besuchen, sind bürgerlich. Entscheider sind in den Paaren überwiegend die Mütter (die Väter bringen das Geld nach Hause und kümmern sich nicht um so etwas). Die Mütter müssen Vertrauen in die Theatermacher bekommen, damit die wissen, was ihre Kleinen bewegt. Dass ihre Kleinen einen Supernachmittag haben. Diese Mütter wollen keine Experimente und nichts Zweitklassiges, denn das könnte ihrem Nachwuchs ja schaden. Genau das muss Ihre Website ausstrahlen! Jeder Satz, jedes Foto muss daraufhin überprüft werden. Erfüllt es das Thema »Vertrauen« nicht oder nur unzureichend – raus damit!
Seien Sie getröstet, Sie sind nicht der Einzige, der das falsch macht. Normalerweise nehme ich für eine solche Beratung 5.000 Euro exkl. MwSt, ich schenke Sie Ihnen.
Eiern Sie nicht so herum, gehen Sie es klarer an. Sie werden sich wundern, was dann passiert.
Wollen wir uns duzen?
Herzliche Grüße aus Hamburg
Tobias
19. 3.
15:12
Hallo??? Was tun sie da eigentlich?
Von mir aus, duzen wir uns. Also, was verdammt noch mal, was tust du da eigentlich??
Ich sag, du sollst die finger von meinen privaten dateien lasse, vor allem von denen, in denen es um carola geht, und trotzdem frisst du dich in meinen computer hinein!?
Und zu diesem ganzen analysequatsch von wellen, chancen, unschärfen und perspektiven: Ich verstehe nur bahnhof.
Aber eins habe ich schon kapiert: dass du mich für ein weichei hältst, weil ich bei carola bis jetzt noch nicht so viel erreicht habe. Aber das kriege ich schon noch hin, auf meine methode. Carola ist keine, die bedrängt werden will. Sie braucht ihre unabhängigkeit, ihren freiraum und keine sicherheit, das
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