Rettungskreuzer Ikarus Band 033 - Mister Zed
stimmte, was Zed mir immer wieder gesagt hatte, und darum suchte ich sie,
wollte aus ihren eigenen Mündern hören, dass ich ihnen lästig
war.« Er ballte seine Hände zu Fäusten und starrte Sonja und
Roderick vorwurfsvoll an und seine Falten gruben sich tiefer in die Haut. Dann
glättete sich seine Miene und er erzählte weiter: »Ich wusste,
dass er log. Ich glaubte es zu wissen, denn die Zweifel blieben, bis ich die
Möglichkeit bekam, in die Vergangenheit zu reisen. Es war Zeds eigene Dummheit,
die mich dazu brachte. Bis dahin hatte er mich nur auf gegenwärtige Missionen
geschickt, stets mit einer Aufgabe in der Tasche. Immer verlangte er nach Informationen
aus der Zeit, alles wollte er wissen und jedes Mal verlangte er ein Andenken.
Nicht irgendeines, nein. Er wusste Namen und oft hatte er eine Grafik, aber
er wusste nie genau, wo sich das Objekt zum aktuellen Zeitpunkt aufhielt. Manchmal
war es ein Mensch, manchmal ein Androide. Ich tat, was er mir sagte, hoffte
ich doch weiterhin auf seine väterliche Zuneigung, die er mir jedoch nicht
mehr zuteil werden ließ.«
Als er eine kleine Denkpause einlegte, hakte der Prior nach, denn er schien,
wie auch Sonja und Roderick, fasziniert von den Erzählungen des alten Mannes
zu sein. »Aber wie gelang es dir, in die Vergangenheit zu reisen? Und auch
in die Zukunft – wie ich vermute. Welche Unachtsamkeit hat Zed begangen,
dass du die Wahrheit über deine Familie herausfinden konntest?«
Die Augen des alten Mannes blitzten wie zwei Diamanten und sein Lächeln
ließen ihn für einen Moment viel jünger aussehen. Erschrocken
sah Sonja zu Roderick hinüber, aber ihm schien nichts aufgefallen zu sein.
Trotz seines hohen Alters verwirrte der Mann sie.
»Er begann mir zu vertrauen«, sagte er mit einer so hellen Stimme,
als sei er für diesen einen Satz mindestens 50 Jahre in die Vergangenheit
zurückgereist. »Ja, er vertraute mir und glaubte, seine Macht und
die Angst, die ich vor ihm hatte, brachten mich jeder Zeit zu ihm zurück.
Nie, so meinte er, würden seine Gefolgsleute ihn verlassen. Doch er irrte.
Ich sollte erwähnen, dass er mir vor meiner ersten Reise einen Re-Invator
einpflanzte.« Er zog den rechten Hemdsärmel hoch und entblößte
eine hässliche Narbe, von der Ellenbeuge bis hinunter zum Handgelenk.
»Auch Zed hat einen. Alle paar Jahre bekam ich einen neuen eingesetzt –
kleiner, jedoch technisch ausgereifter und mit einer stets wachsenden Reichweite,
um mich aufzuspüren. So fand Zed mich jederzeit wieder. Er wusste immer,
wo ich mich befand. Mit zwanzig Jahren, als ich längst wusste, dass Zed
mich belog, dass er ein Genie war, auf dem Weg, vollständig dem Wahnsinn
zu verfallen, versuchte ich mir den Re-Invator herauszuschneiden. Es misslang
mir. Zed fand mich. Zur Strafe wartete er so lange damit mir zu helfen, dass
ich beinahe verblutet wäre. Er redete nicht mit mir. Er stand nur da. Nur
da.« Der alte Mann blickte in eine Ecke. Erschrocken wandten sich Raphael,
Roderick und Sonja um, doch dort stand niemand. Nur mäßig erleichtert
hörten sie weiter zu: »Und lächelte auf mich hinab. Doch auch
ich schwieg. Von da an redeten wir kein Wort mehr miteinander. Ich kannte meine
Aufgaben, er hatte die Macht. Ihn zu verlassen, würde meinen Tod bedeuten.
Dennoch versuchte ich es immer wieder und kehrte von vielen meiner Expeditionen
nicht zurück. Doch ich säße wohl nicht hier, wenn mir meine
Flucht dauerhaft geglückt wäre.« Er stockte, doch seine Mimik
erzählte mehr als die nachfolgenden Worte. Voller Trauer und Entsetzen,
als würde er noch einmal die unveränderbare Vergangenheit durchleben,
sagte er: »Ich habe eine Weile dort gelebt.« Er zeigte auf ein Gemälde:
Ein Fluss trennte ein kuppelförmiges Haus von einem dichten Wald ab. »Ich
lebte dort mit meiner Frau Amelie und meiner Tochter Maja. Sechs Monate war
sie nur alt. Sechs Monate. Zed hatte ich vier Jahre lang nicht mehr gesehen.
Vier Jahre, in denen ich glaubte, dass er mich vergessen oder freigegeben hatte.
Doch ich irrte mich, wie so viele Male zuvor.« Nun begann der Alte hemmungslos
zu schluchzen, seine Schultern bebten und seine Hände zitterten, als er
sich die Tränen von den knittrigen Wangen wischte. Leise sprach er weiter:
»Doch auch diesmal fand er mich. Ich konnte nur da stehen und zusehen,
wie das Leben aus ihren blauen Augen erlosch. Sie hatten beide blaue
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