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Revelations

Revelations

Titel: Revelations Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Fischer
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über die Motorhaube von Angels Humvee, auf dem sie Landkarten der Umgebung miteinander verglichen hatte. Jesse stand auf der Stoßstange und ließ sich von Cole gerade die militärischen Symbole erklären.
    »Ich hab mich schon gefragt, wann du auftauchen würdest«, rief Sharon Angel unbehaglich entgegen, während sie ihre Sehhilfe putze. Kaum setzte sie die Brille wieder auf, verwandelte sie sich zurück in die zierliche Studentin, als die Cassidy sie zwei Wochen zuvor kennengelernt hatte. Angel antwortete ihr nicht, sondern interessierte sich scheinbar nur für die Karten. Als sie die fragenden Mienen von Cole, Jesse und ihrer Schülerin bemerkte, rollte sie mit ihren Augen in Richtung Camp und gestikulierte damit, dass sie allein mit Sharon reden wollte. Cassidy hatte sich daran gewöhnt, ihren Anweisungen zu gehorchen. Sie nahm Jesse an die Hand und schleppte sich für eine Pause zur Versorgungsstation. Der gebräunte Ranger mit seinem kurzen, gekräuselten Haar verschränkte hingegen provokativ die Arme. Auf den Lippen über seinem spitzen Kinn erschien ein verschmitztes Grinsen, das Angel sehr deutlich machte, dass er ihrem Befehl keinesfalls Folge leisten würde.
    »Sie weiß etwas!«, sagte Cole entschlossen und zeigte mit dem Finger auf Sharon. »Sie weiß, wer meine Leute abgeschlachtet hat! Aber sie redet nur mit dir. Ich hab sie zu dir gebracht und jetzt will ich wissen, wer diese Typen sind, die mir den Krieg erklärt haben!«
    Überrascht blinzelte Angel mit den Augenlidern in die untergehende Abendsonne, bis sie selbstgefällig die Mundwinkel hochzog. Der alte Paul war der einzige, der Cole nach seinem unfreiwilligen Austritt bei den Vultures eine Chance gegeben hatte. Entsprechend persönlich nahm er den Angriff auf sein Dorf, dessen Sicherheit ihm aufgrund seiner Erfahrung - und seiner selbstauferlegten Blutschuld - anvertraut worden war. Nun verstand Angel wieder, warum sie eine Zeit lang ihr Bett mit ihm geteilt hatte.
    »Vor zweieinhalb Jahren hab ich Sharon bei einer kleinen Gruppe Flüchtlinge mitten in der Steppe gefunden. Sie ist die Einzige, die es lebendig bis zur nächsten Siedlung geschafft hat«, begann sie zu erklären.
    Sharon senkte niedergeschlagen den Kopf, als Angel ihre verstorbene Familie erwähnte. Viel Zeit zum trauern blieb ihr nicht, denn Cole fragte sofort nach ihrer Herkunft.
    »Das hat sie uns nie gesagt. Frank und ich haben ihre Entscheidung damals respektiert.« Angel wollte nicht weiter in der dritten Person von Sharon reden und hob ihr rundes Gesicht sanft am Kinn an. »Du kennst die Sicarii, nicht wahr?«
    Mürrisch schüttelte sie sich. Sharon hasste es, wenn man sie als zerbrechliches Gut betrachtete, das um jeden Preis beschützt werden musste. Selbst zwei Jahre als Rangerin wogen die Vorurteile gegen ihre zierliche Statur nicht auf.
    Der Beginn ihrer Geschichte klang wie die aller Sklaven, die von einer Gang eingefangen und zur Arbeit gezwungen worden waren. Seit sie sich erinnern konnte, musste sie Felder bestellen, Wasser tragen, Kisten schleppen oder hin und wieder die Behausungen ihrer Aufseher putzen. Wahrscheinlich würde sie noch immer Getreide anbauen, Vieh hüten und Kohlereste aus stillgelegten Bergwerksstollen zu Tage fördern, hätten die Sicarii sie nicht für eine Sondermission eingeteilt. Es war fast drei Jahre her, dass ihre ganze Familie als Teil einer Sklaveneinheit quer durch die Steppe nördlich des Hadesgebirges transportiert wurde, das die bekannten Wastelands der Ranger vom vermutlichen Sicariiterritorium trennte. In einer unwirtlichen Gegend umgeben von großen Hügelketten im Osten und geschützt von einem ausgetrockneten Flussbett im Westen befahlen ihnen die Aufseher, eingestürzte Kellergewölbe einer Stadtruine freizulegen und sie mit schweren Holzkisten zu füllen. Das Öffnen der Kisten war den Sklaven dabei unter Androhung der Todesstrafe verboten worden. Nach vielen Jahren der Zwangsarbeit erledigten die meisten ihre Aufgaben wie in Trance, ohne sich um Sinn oder Unsinn der Befehle zu kümmern. Ein Unterschied zur normalen Vorgehensweise der Sicarii hatte Sharon jedoch keine Ruhe gelassen. Ihre Aufseher schlossen sie kurz vor Tagesanbruch in eines der leerstehenden Gewölbe ein und trieben sie erst nach Sonnenuntergang zurück an die Arbeit. Die Sklaven empfanden diese Behandlung als große Erleichterung und viele bedankten sich sogar. Zum einen waren die Tage zu jener Jahreszeit deutlich länger als die Nächte und zum anderen

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