Sternenfaust - 149 - Apokalypse
Sol III, Überwachungsstation LAILA 1, 19. September 2271, 16:52 Uhr, New Yorker Zeit
Als Sebastian Weeds am 19. September 2271 um 16:52 Uhr New Yorker Zeit in der Überwachungsstation LAILA 1 seinen Arbeitsplatz aufsuchte, sich mit einem leisen Stöhnen auf seinem ergonomisch angepassten Individualstuhl zurücklehnte und missmutig auf seinen heißen, mit Koffein angereicherten Synthodrink pustete, ahnte er nicht, dass er all das, was ihm gerade noch durch den Kopf ging, in fünf Minuten vollkommen vergessen haben würde.
Sebastian aktivierte die unterschiedlichen Operator-Terminals und dreidimensionalen Monitore. Dann begann er mit den obligatorischen System-Checks.
Seit zwei Jahren saß er nun schon auf diesem Posten. Der Job war mies bezahlt und stockte seine zivilen Grundzahlungen nur wenig auf, aber es war genug, um sich in acht Jahren den Traum eines großen Luxus-Bungalows auf den Fidschi-Inseln zu erfüllen.
Es hatte viele Vorteile, auf einer Überwachungsstation zu leben. Die Flüge zur Erde, Kost und Unterkunft wurden nicht berechnet, es gab also nicht viele Gelegenheiten, Credits zum Fenster rauszuwerfen. Nur in den medialen Datenbanken ging er dummerweise ein wenig zu oft einkaufen. Er tat es zum Teil auch nur deshalb, um die fürchterliche Langweile zu vertreiben. Dabei stapelten sich in seinem persönlichen Datenbank-Container längst die ungesichteten Files, und immer wieder nahm er sich vor, keine weiteren mehr zu kaufen, zumindest so lange nicht, bis er nicht wenigstens alle Videodateien gesehen hatte.
Mit einem hemmungslosen Gähnen klickte sich Sebastian durch die Systemanzeigen, eine Arbeit, die – wie er sogar seinen Vorgesetzten gegenüber offen betonte – ein dressierter Affe hätte tun können.
Ja, dieser Job hat echt Vorteile , ging es ihm zynisch durch den Kopf.
Dann nahm er einen Schluck seines heißen Syntho-Drinks.
Widerlich!
Wieder einmal zu viele Süßaromen.
Er hätte niemals mit den Süßaromen-Faktoren seines Lieblingsgetränks experimentieren sollen. Nun hatte er so viele ausprobiert, dass ihm die ursprüngliche Zusammensetzung nicht mehr einfiel. Und dann hatte seine Kollege Ted, dieser paranoide Retulak-Ochse, auch noch den Speicher-Cache des Automaten gelöscht. »Geht ja niemanden was an, was ich trinke«, hatte Ted gefaselt. Als ob sich irgendjemand dafür interessieren würde.
Sebastian war ein Meister darin, sich zu ärgern. Er ärgerte sich über alles, was sich zum Ärgern anbot. Er ärgerte sich über Ted. Über den Süßegehalt seines Getränks. Über die Monopolstellung von Far Horizon . Über die zu niedrige Luftfeuchtigkeit auf LAILA 1. Über seinen um 0,5 Prozent gestiegenen Körperfettanteil, den ihm heute Morgen sein Körperscanner angezeigt hatte. Über die stets falschen Versprechungen der Virto-Sex-Files. Und über das seiner Meinung nach viel zu hohe Star-Corps-Budget.
Vor allem aber ärgerte er sich über Jack.
Jack, dem er diesen Job zu verdanken hatte – wobei er ihn dafür je nach Stimmung dankbar war oder aufrichtig verfluchte – und der nun die beleidigte Leberwurst spielte.
So waren sie eben, diese verzogenen, verwöhnten Orbitalzöglinge. { * }
Mimosen, allesamt!
Dabei war es Jack, der ihn bedrängt hatte. So war es nämlich. Wollte angeblich die Wahrheit hören. Die absolute Wahrheit! Eine Wahrheit, die er mit unzähligen »Wirklich?«, »Sag mal ehrlich?«, »Jetzt aber bitte ganz offen und schonungslos«, und »Du bist einer der wenigen, denen ich vertraue, weil du mir immer die Wahrheit sagst«, einforderte, und dann …
Dabei war es um gar nichts Wichtiges gegangen. Er hatte ihm nur seine Meinung gesagt. Das war doch wohl noch erlaubt, eine Meinung zu haben, oder? Das war dieses verwöhnte Bürschchen, das seine Jugend in irgendeiner Luxus-Orbital-Suite verbracht hatte, natürlich nicht gewohnt. Und Sebastians Meinung war eben gewesen, dass Jacks Aufsatz zur Beschleunigung des Armitage-Effekts bei der Planetenbildung eine reine Themaverfehlung war.
Einer der Monitore zeigte einen roten Fleck an, den Sebastian kaum wahrnahm. Er war zu sehr damit beschäftigt, der in ihm grollenden Wut durch neue Gedanken und Grübeleien immer wieder neue Nahrung zu geben.
Das und der heiße, widerlich süße Synthodrink, trieben Sebastian den Schweiß aus den Poren. Fast mechanisch, mit einer leichten Berührung des linken Touchscreens, senkte er die Umgebungstemperatur seines Arbeitsbereichs um fünf Grad Celsius.
Gut, zugegeben, er
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