Rheinmaerchen
meiner kleinen Figur geneckt, weil hier die Schneider viel größer waren; und überhaupt war die kleine Rasse meiner Handwerksbrüder in Amsterdam ziemlich ausgestorben. Erzählte ich nun meine Heldentaten, so lachte mich meine hiesige Meisterin aus. Das zog ich mir, der von königlichem Geblüt war, sehr zu Herzen und wünschte herzlich, daß meine Zeit um sein möchte, und daß ich weiterwandern könnte, die Erstaunung der Welt durch meine Heldentaten zu erregen.
Nun gab uns der Meister alle Tage, die der liebe Gott geschaffen, zweimal Kraut zu essen, welches mich sehr erbitterte.
Ich machte ihm daher Vorstellungen; aber er ließ mit seinem Kraut nicht nach, welches mich sehr melancholisch machte. Als ich nun eines Tages am Fenster saß und nähte, ging eine hübsche Jungfer vorbei. Sie trug einen Korb voll rotbackiger Äpfel, ich winkte ihr, und sie schenkte mir einen, und ich schenkte ihr dafür ein Nadelkissen in Gestalt eines Herzens, das ihr viel Vergnügen machte. Der Apfel stand nun neben mir, und ich sah ihn mit unbeschreiblicher Freude an; denn er erinnerte mich immer an das schöne Kind, das ihn mir gegeben hatte. Ich fühlte durch seinen Anblick mein königliches Geblüt von neuem erwachen, welches durch das ewige Krautessen ganz matt geworden war, und nahm mir nun vor, mich heftig gegen das Kraut zu empören. Als nun der Meister mittags wieder Kraut auftrug, sang ich ihm folgendes Lied vor:
Ich habe mein Vertrauen
Auf Fleisch und Wurst gebaut
Und soll schon wieder hauen
Ins Kraut, ins ewge Kraut.
Ach Kraut, vor dem mirs graut!
Soll zweimal ‘s Tags dich kauen
In meine zarte Haut.
Du, Meister, bist ein Krauter,
Der leicht das Kraut verdaut,
Mich überläuft ein Schauder,
Wenn mich das Kraut anschaut;
Ach! alle Tag zwei Kraut,
Macht jährlich zu verdauen
Siebenhundert dreißig Kraut.
Als ich dies laut sang, wurde der Meister zornig und schlug mit der Elle nach mir; aber ich schlüpfte unter den Fingerhut. Er suchte mich überall, und ich entwischte ihm immer. Bald war ich in einer Ritze, bald in einem Knopfloch, bald unter den Lappen, und er konnte mich nie erwischen, bis er sich endlich niedersetzte, aus Furcht, sein Kraut möchte kalt werden, und es zornig in sich hinein aß, worüber er gewaltige Leibschmerzen bekam und sich nun niederlegte, um sich den Leib mit einem warmen Bügeleisen plätten zu lassen. Kaum war er zur Türe hinaus, als ich meinen Entschluß faßte, ihn zu verlassen. Ich sah meinen geliebten roten Apfel an, und bemerkte zu meinem großen Verdruß, daß sieben Fliegen darauf saßen! Schnell nahm ich eine Fliegenklappe und schlug sie glücklich auf einen Schlag tot. Nach diesem gewaltigen Sieg erwachte mein Heldengefühl in seinem ganzen Umfange, und ich entschloß mich, als ein Ritter auf Abenteuer auszugehen. Ich sang das Kriegslied, das ich auf meinen Vater gemacht, ohn Unterlaß, nachdem ich mir auf einen roten Lappen mit schwarzer Seide die Worte nähte »Sieben auf einen Schlag«. Dann packte ich meinen Bündel zusammen und schrieb mit Kreide dem fatalen Krauter an die Tür:
Kraut und Rüben
Haben mich vertrieben,
Hättst du, Krauter! Fleisch gekocht,
So wär ich länger blieben.
Und nun nahm ich meinen Apfel und ging zum Haus hinaus in die Fremde auf Paris los.
Als ich einstens abends in einen Wald kam und nicht wußte, wo ich mich hin verkriechen sollte, damit nicht etwa ein wildes Eichhorn mich fressen möchte, sah ich plötzlich einige Schritte von mir im Grase etwas glänzen. Ich nahte mich, und sieh da! es war ein ganzer schöner Harnisch. Ich ging erstens in einiger Entfernung rund um ihn herum, dann warf ich mit kleinen Steinen nach ihm, und als sie in ihn hineinrasselten, bemerkte ich, daß er hohl sei und leer. Nun war ich vergnügt; denn wenn ich in den Harnisch hineinstieg, hatte ich ja das schönste stählerne Haus auf diese Nacht, und das tat ich auch die alle Umstände. Ich stieg durch das Visier hinein, das ich hinter mir zuschloß, spazierte vom Kopf bis zu den Füßen darin herum und fand ihn überall schön ausgepolstert und legte mich ruhig drin zu Bette, nachdem ich erst meinen Lappen mit den Worten »Sieben auf einen Schlag« zu dem Visier herausgehängt hatte. Kaum hatte ichs mir aber ein wenig bequem gemacht, so sah ich einen Mann im Hemde ankommen. Er sagte: »Das Bad war angenehm«, und griff mit der rechten Hand in das Visier des Helmes, um ihn aufzuheben; aber ich klappte es mit solcher Gewalt zu, daß ich ihm die Finger einklemmte, und als
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