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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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1
    I
n den vergangenen Wochen hatte Selene den Brief unzählige Male entfaltet und gelesen. Ihre Hoffnung, zwischen den Zeilen könnte sich das Schicksal ihrer Tochter Berenike offenbaren, mündete regelmäßig in Enttäuschung. Es war und blieb dieselbe niedergeschriebene Drohung, und ob sie sich erfüllte, blieb selbst der ältesten Lamia des alten Volkes verborgen. Dennoch nahm Selene auch in dieser Nacht den Brief zur Hand und studierte ihn im Schein des Kaminfeuers. Stumm formten ihre Lippen die Worte.
    Eines nicht allzu fernen Tages werdet Ihr begreifen, wie unsinnig und nichtig der von Euch angestrebte Frieden ist, und Ihr werdet mir für diese Erkenntnis Dank schulden. Im Gegensatz zu Euch habe ich nicht vergessen, wer wir sind und was wir waren, und so weiß ich nicht, ob ich Euch jemals vergeben kann. Ein Abkömmling der Mechalath ist gottgleich, und Ihr habt danach getrachtet, eine Göttin zu schänden, indem Ihr sie einem Werwolf überlassen wolltet. Das alte Volk der Vampire und Lamia wird die Krone der Schöpfung zurückerlangen, wenn der letzte Werwolf in seinem Blut verendet. Ihr wollt ein Zeichen? Von mir werdet Ihr es erhalten! Ruben de Garou habe ich verschont, weil das Herz einer Strega an ihm hängt. Seinen Brüdern gegenüber werde ich keine Gnade kennen. Ich, Berenike, Tochter des Am-heh, werde nicht eher ruhen, bis Eure engsten Verbündeten aus der Sippe der Garou ausgelöscht sind durch mein Schwert
.
    Selene ließ den Brief sinken und schloss die Augen. Berenike hatte eine unausgereifte Überlegung ihres Bruders Mica und die dahergesagte Antwort ihrer Mutter für eine Tatsache gehalten. Dieses Missverständnis hatte sie verleitet, ihnen den Fehdehandschuh vor die Füße zu werfen. Wie hatte sie glauben können, ihre Mutter würde sie tatsächlich einem Werwolf überlassen? Trotz aller Veränderungen war und blieb Berenike eine Lamia, ein kostbarer, da seltener Schatz des alten Volkes. Wegen einer Fehleinschätzung hatte Berenike Rom verlassen, einzig bewaffnet mit einem Katana und einer gefährlichen Absicht.
    An die Sippe der Garou vergeudete Selene keinen Gedanken. Ihre Sorge galt einzig ihrer Tochter. Der Schaden, den der Fluch der Larvae angerichtet hatte, war nicht mehr rückgängig zu machen. Berenike hatte das Gift in ihren Fängen verloren, und ohne diese Waffe waren ihre Überlebenschancen gering. In einer Auseinandersetzung mit einem Garou musste sie unterliegen. Zumal sie sich gleichzeitig mit Mica anlegte, der diese Werwolfsippe zu seinen Verbündeten zählte. Der Großmeister der Vampire pochte auf einen Frieden mit dem Feind und würde jedes Zuwiderhandeln ahnden. Längst waren die Garou gewarnt. Bevor Mica seiner Schwester nachsetzte, hatte er Brieftauben nach Paris geschickt und sein Schwiegersohn Cassian de Garou hatte die Warnung garantiert umgehend an seinen Vater und die Brüder weitergegeben. Somit war den Alphawölfen hinreichend Zeit geblieben, sich auf einen Angriff aus dem Hinterhalt vorzubereiten. Wie Berenike von ihnen empfangen wurde, konnte Selene nicht einschätzen. Dieser Sippe war alles zuzutrauen.
    Sie öffnete die Augen und begegnete ihrem Spiegelbild über dem Kamin. Ihre überirdische Schönheit hatte sie von jeher kalt gelassen. Es blieb ihren Anbetern und Blutquellen überlassen, sich an ihrem Aussehen zu ergötzen. Sie hingegen verspürte eher Befremden, wenn sie sich sah. Die Jahrtausende waren spurlos an ihr vorübergezogen. Während Stein und Marmor mit der Zeit verwitterten und zerbröselten, blieb sie ewig jung und unverändert. Bitternis füllte ihren Mund. Wozu waren ein schönes Gesicht und ein über Jahrtausende angesammeltes Wissen gut? Weder das eine noch das andere hatte sie auf diese Tragödie vorbereiten können. Ihr geliebtes Kind war verloren. Und sie hatte die Angelegenheit in die Hände ihres Sohnes gelegt. Mica war der Großmeister der Vampire. Der Goldene. Sein Wille – sie hatte regen Anteil daran gehabt – stand über allem.
    Was würde daraus entstehen? Das Erlöschen ihrer Tochter und der Beginn eines Friedens, der in Paris begonnen und den Selene in Rom fortgesetzt hatte? Oder ein neuer, blutiger Krieg? Sie wusste es nicht, und diese Unwissenheit wühlte sie Nacht für Nacht aufs Neue auf. Trotz ihres hohen Alters und ihrer Allmacht stand sie verloren und hilflos vor dem Kamin und wusste nicht weiter. Einzig eine Ahnung hielt sie in würgendem Griff.
    Die Garou besaßen keine erkennbaren Schwächen und konnten unerbittlich

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