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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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heran. Johannes war wie ein Kind in unserm Berg, er sah alle Arbeiten der Berggeister mit an und hatte eine besondere Liebe zu dem Geschäft. Vor allem aber hatte er eine große Freude an den Possen eines Affen, den meine Mutter hatte und der gewöhnlich mit ihr Schach spielte. Er hieß Trismegistus und war ein tiefsinniger, wunderlicher Gesell. Er machte alles nach, was er die Berggeister machen sah, und war dann sehr verdrüßlich, wenn wir ihn alle auslachten, daß er immer verkehrtes Zeug herauskriegte. Dieser Affe war anfangs sehr neidisch auf den kleinen Johannes, weil er sah, daß ich lieber mit diesem spielte als mit ihm; nachher aber ging er meinem jüngeren Freunde überall nach und schmeichelte ihm und diente ihm mit allerlei Handreichungen, wenn der kleine Johannes spielend mit den Berggeistern arbeitete.
    So lebte ich in kindlicher Lust wohl sechzehn Jahre mit Johannes, als er plötzlich eines Abends ausblieb; ich konnte mir die Ursache nicht denken und war in größter Angst; ich zog durch alle Gegenden unter der Oberfläche des Berges hin und rief ihm mit den zärtlichsten Namen; er kam nicht.
    Die folgende Nacht ging es mir ebenso, in der dritten endlich gelang es mir, die Gegend des Berges zu finden, über der sein Schlafgemach war. Er hörte mein Weinen und Klagen; die Decke öffnete sich, und er eilte in meine Arme; indem wir nach der Kammer meiner Mutter liefen, so erzählte er mir, daß sein Vater die vielen Edelsteine, die er von uns erhalten, gefunden und ihn sehr gedrängt habe, zu sagen, wie er zu solchen Schätzen gelangt sei, und daß er ihn, da er es seinem Versprechen gemäß verschwiegen, nachts, auf den Rat seiner Mutter, in sein Bett genommen und mit einem seidenen Faden an seinen Arm gebunden habe, den er aber auf mein Angstgeschrei zerrissen und so zu mir gelangt sei.
    Kaum waren wir in die Kammer meiner Mutter gelangt, so trat sein Vater auch hinter uns ein und wollte ihn eben tüchtig auszanken; aber meine Mutter fiel ihm in die Rede, der Affe Trismegistus machte ihm tausend Kratzfüße, und er fand sich durch den Glanz der Edelsteine und besonders durch das Schachbrett meiner Mutter, worauf alle Figuren lebendig waren, so zerstreut und hingerissen, daß er dem kleinen Johannes nicht nur verzieh, sondern sich auch bei uns sehr wohlgefiel. Er unterhielt sich die ganze Nacht mit meiner Mutter und Trismegistus und verließ uns erst am Morgen; die folgende Nacht kam er wieder und so öfters.
    Einstens, da meine Mutter krank war, unterhielt er sich mit dem Affen allein, der setzte ihm allerlei böse Grillen in den Kopf über die Gewohnheit der Frau Mondenschein, ihn monatlich einige Zeit zu verlassen, und gab ihm ein wunderliches Glas, wodurch er sie belauschen könne. Er ging mit dem Glase unruhig, früher als gewöhnlich, von uns. Nun erwartete ich in der folgenden Nacht ihn und Johannes nicht, der Mond schien wieder, und da kamen sie nie. Aber siehe da! da kamen sie beide, und der Vater war in großer Unruhe; er setzte sich zu meiner Mutter an den Tisch und klagte ihr sein Unglück, daß ihn seine Gattin seiner verbotenen Neugierde wegen verlassen und verflucht habe.
    Der Besuch war meiner Mutter nicht ganz gelegen, denn sie war eben mit ihren geheimsten Arbeiten beschäftigt; sie ließ einen goldenen Tisch wachsen; nun bat sie zwar den unglücklichen Herrn, sich nicht darauf zu legen, aber in seinem großen Kummer vergaß er es, und sein Bart streifte auf den Tisch und wuchs ihm hinein, so daß er nicht mehr aufstehen konnte.
    Meine Mutter verwies ihm nun ernstlich seine Neugierde und sagte ihm, daß es außer ihrer Macht stehe, ihm zu helfen; sie legte ihm ein Buch vor, in dem las er und heftig dabei weinte; endlich brach er in folgende Worte aus: ‘Frau Erde! ich fühle wohl, Ihr könnt mir nicht helfen; ich muß hier sitzen, bis der Fluch der Frau Aglaster und der Großmutter meiner Frau erfüllt ist. Nun aber rufet mir meinen Sohn Johannes, daß ich ihm die Regierung meines Volkes übergebe.’ Johannes ward gerufen, er hörte das Unglück seines Vaters, er übernahm die Regierung; meine Mutter nahm ihm die Springwurzel; sie sagte ihm, nie mehr solle er uns sehen, denn sie sehe wohl, daß aus der Gemeinschaft der Geister mit den Menschen nur Treulosigkeit und Unglück erfolge. Meine und seine Bitten halfen nichts, ich mußte ihn lassen; eine Menge unbarmherziger Kobolde faßten ihn und führten ihn mit Gewalt an die Oberfläche der Erde.
    Meine Trauer, meine Wehklagen halfen

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