Ritual - Höhle des Schreckens
Sie war tatsächlich so dämlich gewesen, sich nur auf ihre Taschenlampe zu verlassen, statt sich zusätzlich Streichhölzer einzustecken. Eine unverzeihliche Dummheit!
Andererseits, es war eine kleine Höhle mit nur einem einzigen Ausgang. Der musste sich doch finden lassen, oder? Sie ging wieder auf alle viere und kroch los. Der Boden war mit spitzen Steinen gespickt, überall hatten sich Wasserlachen gebildet. Irgendwie kam ihr plötzlich alles fremd vor. Dann schlug sie mit dem Schädel an etwas Hartes. Sie tastete das Hindernis mit beiden Händen ab. Aha, der Dreifuß! Sie war genau in die falsche Richtung gekrochen.
Aber zumindest wusste sie nun, wo sie war. Sie brauchte sich nur entlang der Wand zu halten, dann kam sie automatisch zum Ausgang. Und weil sie sich nur allzu gut erinnerte, wie niedrig die Felsdecke dort hing, kroch sie vorsichtshalber auf Händen und Knien weiter. Sie versuchte, die Länge der zurückgelegten Strecke in Metern abzuschätzen: sieben, acht, neun…
Und plötzlich stieß ihre Hand auf etwas Warmes.
Instinktiv zuckte sie zurück. Ein paar Sekunden lang war sie vor Schreck wie gelähmt. Was war das? Eine Ratte? Oder eine Fledermaus? Aber sie hörte vor lauter Herzklopfen weder etwas rascheln noch flattern.
Nach einer Weile zwang sie sich, die Hand auszustrecken und das rätselhafte Etwas zu betasten.
Was immer es sein mochte, es fühlte sich warm, unbehaart nackt und ein bisschen feucht an. Und es rührte sich nicht von der Stelle. Vielleicht war es wieder nur ein Felsbuckel? Wenn sie sich nicht dazu aufraffte, das Rätsel zu lösen, fand sie nie und nimmer den Weg aus der Höhle.
Obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug, streckte sie abermals die Hand aus. Das Ding fühlte sich tatsächlich warm an. Vielleicht war es irgendetwas Vulkanisches. Sie ließ die Hand tiefer wandern. Und da wurde ihr klar, dass das Ding, an dem sie herumfingerte, ein nackter Fuß mit ungewöhnlich langen, zerklüfteten Zehennägeln war.
Ganz langsam, sorgfältig darauf bedacht, nur keine hastige Bewegung zu machen, zog sie ihre zitternde Hand zurück. Ihr Atem ging keuchend. Sie versuchte, zu schlucken, aber ihre Kehle war wie ausgedörrt.
Und plötzlich vernahm sie aus dem Dunkel einen seltsamen rauen Singsang, eher ein verschlungenes Lallen als eine menschliche Stimme.
»Wills’u bei mir bleim?«
47
Hazen lehnte sich in dem weich gepolsterten Sessel zurück und ließ die Fingerspitzen wie zufällig über den Konferenztisch aus poliertem Edelholz gleiten. Wieso konnte sich Deeper eine derart teure Einrichtung für das Sheriffsbüro leisten und Medicine Creek nicht? Die Antwort war einfach: Die Jungs in Deeper lebten auf Pump, während er in seinem Amtsbereich darauf achtete, schwarze Zahlen zu schreiben. Nun ja, es würde nicht mehr lange dauern, bis sich endlich auch über Medicine Creek ein Geldsegen ergoss, und das war nicht zuletzt sein Verdienst!
Hank Larssen redete immer noch wie mit Engelszungen auf die Anwesenden ein. Sollte er seinem Unmut ruhig Luft machen, erreichen würde er damit nichts. Dent Hazen schielte verstohlen auf die Uhr. Sieben Uhr abends. Ein langer, erfolgreicher Tag lag hinter ihnen. Die Mordfälle waren so gut wie geklärt. Es gab noch die eine oder andere kleine Ungereimtheit, aber die würde er auch noch ausräumen.
Larssen hatte sein Pulver offenbar verschossen, er schien zur Zusammenfassung zu kommen. »Deine Theorie stützt sich im Grunde nur auf Vermutungen und Verdächtigungen, Dent. Einen stichhaltigen Beweis habe ich von dir nicht gehört. Unter diesen Umständen lehne ich es ab, gegen einen angesehenen Bürger Anklage zu erheben. Und ich erlaube auch niemand anderem, das zu tun. Nicht in meinem Jurisdiktionsbereich!«
Hazen verkniff sich jeden Kommentar. Erst mal sollten sich die Vertreter der KSU ein Urteil bilden. Als er den Eindruck hatte, dass sie so weit waren, wandte er sich an Raskovich.
»Wie sehen Sie das, Chester? Sie waren ja den ganzen Nachmittag dabei.«
Raskovich räusperte sich umständlich. »Nun ja, ich finde, dass das, was Sheriff Hazen und ich bei unseren Recherchen festgestellt haben, durchaus ein…sagen wir: entschiedenes Vorgehen rechtfertigt.«
»Sie haben lediglich festgestellt, dass Lavender finanzielle Schwierigkeiten hat«, widersprach Larssen. »Das geht heutzutage vielen Leuten so.«
Hazen verkniff sich eine Erwiderung. Sollte sich doch Raskovich in die Nesseln setzen!
»Nun, wir haben ja nicht nur finanzielle
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