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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gebäudes; der Abgrund verliert seine Anziehungskraft, wenn man in der Gondel eines Ballons oder auf dem Deck eines Aeronefs über ihm schwebt, oder vielmehr unter dem Aeronauten gähnt gar kein Abgrund, sondern der Horizont allein erhebt sich an allen Seiten und umringt denselben.
    Um zwei Uhr glitt der »Albatros« über Omaha an der Grenze von Nebraska hin, über Omaha-City, den wirklichen Kopf der Pacific-Bahn, jenes fünfzehnhundert Lieues langen Schienenstranges, der New-York und San Francisco verbindet. Einen Augenblick lang sah man die gelblichen Fluthen des Missouri, nachher die Stadt mit ihren Holz-und Steinhäusern, inmitten dieses reichen Beckens gelegen gleich dem Schloß eines Gürtels, der Nordamerika in der Taille umspannt.
    Zweifellos mußten, während die Passagiere des Aeronefs alle diese Einzelheiten betrachteten, auch die Bewohner von Omaha den seltsamen Apparat wahrgenommen haben.
    Ihr Erstaunen aber, denselben in den Lüften hinschweben zu sehen, konnte gewiß nicht größer sein, als das des Vorsitzenden und des Schriftführers des Weldon-Instituts, sich an Bord desselben zu befinden.
    Jedenfalls lag hier eine Thatsache vor, welche durch die Journale der Union besprochen wurde; eben diese lieferte eine Erklärung des Phänomens, mit dem sich seit einiger Zeit die ganze Welt beschäftigte.
    Eine Stunde später war der »Albatros« schon über Omaha hinweg. Der Aeronef steuerte jetzt constant nach Westen, indem er sich vom Plate-River entfernte, dessen Thal die Pacific-Railway durch die Prairie folgt. Den Onkel Prudent und Phil Evans konnte diese Wahrnehmung gerade nicht befriedigen.
    »Die Sache wird ernsthaft mit diesem sinnlosen Project, uns zu den Antipoden zu bringen, sagte der Eine.
    – Und noch dazu wider unseren Willen! bemerkte der Andere. O, dieser Robur soll sich nur in Acht nehmen, ich bin nicht der Mann dazu, mit mir spielen zu lassen!
    – Ich auch nicht! versicherte Phil Evans. Doch, folgen Sie meinem Rathe, Onkel Prudent, versuchen Sie sich zu mäßigen…
    – Mich mäßigen!…
    – Und bemeistern Sie Ihre Wuth bis zu dem Augenblick, wo es an der Zeit ist, sie ausbrechen zu lassen.«
    Gegen fünf Uhr und nach Ueberschreitung der mit Tannen und Cedern bedeckten schwarzen Berge flog der »Albatros« über jenen Gebieten hin, die man mit Recht das »schlimme Land« genannt hat – ein Chaos von ockerfarbigen Hügeln, gleichsam von Bergstücken, welche der Schöpfer hatte auf die Erde fallen lassen und die dabei in Trümmer gegangen waren. Von ferne gesehen, nahmen diese Blöcke die phantastischsten Formen an.
    Da und dort inmitten dieser ungeheuren Ansammlung von Bruchstücken erblickte man Ruinen von mittelalterlichen Städten mit Forts, Wartthürmen, Laufgräben und Schanzen. Heutzutage bildet dieses »schlimme« oder »böse Land« aber nichts als ein gewaltiges Beinhaus, in dem die Reste von Pachydermen, Chelonien und der Sage nach sogar von fossilen Menschen bleichen, welche durch eine unbekannte Erdrevolution in grauer Vorzeit hierher geworfen wurden.
    Mit einbrechendem Abend war schon das große Becken des Plate-River übersegelt. Jetzt dehnte sich vor dem »Albatros« eine weite Ebene bis zu dem durch dessen hohen Standpunkt sehr erweiterten Horizonte aus.
    Während der Nacht waren es nicht mehr die scharfen Pfiffe der Locomotive oder die heulenden Töne von Dampfbooten, welche die Ruhe des gestirnten Firmaments störten. Lang anhaltendes Grunzen und Blöken drang manchmal bis zu dem, übrigens jetzt der Erde näheren Aeronef hinaus. Dasselbe rührte von den Bisonheerden her, welche bei Aufsuchung von Wasserläufen und Weideland durch die Prairie trotteten. Und wenn jene schwiegen, dann erzeugte das Rascheln des Grases unter ihren Hufen ein dumpfes Geräusch, ähnlich dem Rauschen einer Ueberschwemmung und sehr verschieden von dem Schwirren und Sausen der Schrauben.
    Von Zeit zu Zeit ließ sich wohl auch das Heulen von Wölfen, das Gebell und Geschrei von Füchsen und Wildkatzen hören oder das scharfe Bellen von Coyots, jenes
canis latrans
, dessen Name sich schon durch die gellenden Töne des Thieres rechtfertigt.
    Daneben verbreitete sich ein durchdringender Duft von Minze, Salbei und Absinth, vermischt mit dem kräftigen Harzgeruch von Coniferen, in der reinen Nachtluft.
    Endlich hörte man, um alle vom Erdboden kommenden Geräusche zu erwähnen, auch eine Art recht unheimlichen Bellens, das aber nicht von den Coyois herrührte; das war der Schrei einer Rothhaut,

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