Rolf Torring 008 - Das Auge Buddhas
huldigten.
Uns unmittelbar gegenüber lag das alte bronzene Tor, das zu unserem Erstaunen weit offen stand. Wir konnten ins dämmerige Innere des Tempels hineinsehen, vermochten jedoch nur verschwommen etwas zu erkennen. Ich sah Säulen aufragen und im Hintergrund eine Statue, die die Rückwand der Halle einnahm.
Von dem Inder und dem Tiger war nichts zu sehen. Wir standen hinter den dichten Büschen gut gedeckt und überlegten, was wir nun unternehmen konnten. Sollten wir schnell in den Tempel eindringen und die anwesenden Priester zwingen, uns die Wahrheit über Barrington zu sagen? Hatte es Zweck, uns mit den Leute zu einigen und ihnen das „Auge Buddhas" zu versprechen? Oder waren es Fanatiker, die vor allen Dingen den Raub des Kleinods rächen wollten?
Das waren Fragen, die wir uns vorerst nicht beantworten konnten. Rolf und ich wußten, daß solche alten Tempel viele Geheimnisse bargen. Es gab darin verborgene Türen, Fallgruben und dergleichen, um jeden fremden Eindringling unschädlich zu machen, da solche Tempel stets kostbare Dinge enthielten, die schon oft die Habgier der Menschen erregt hatten.
„Wir müssen es wagen, Hans", raunte mir Rolf zu. „Ich werde schnell hinüber springen und den Tempel betreten. Halt du deine Büchse schußbereit, falls ich von dem Tiger angegriffen werde. Ich gebe dir dann ein Zeichen, mir zu folgen. Pongo muß zurückbleiben, um uns den Rücken zu decken."
Unser schwarzer Begleiter nickte nur. Er sah ein, daß er als „Rückendeckung" für uns sehr wertvoll war. Im Tempel konnte er doch nichts ausrichten, es sei denn, daß uns die Priester angriffen.
Rolf nickte mir zu, dann teilte er vorsichtig die Büsche, zwängte sich hindurch und sprang schnell zum Tempel hinüber. Gleich darauf stand er im offenen Portal. Suchend glitten seine Augen umher, dann tat er einige Schritte und verschwand im Innern. Ich sah seinen Schatten nach links verschwinden.
Ich wartete und wartete. Mich packte plötzlich große Unruhe. Warum kam mein Freund nicht zurück und gab mir das verabredete Zeichen? War ihm irgend etwas zugestoßen?
Noch drei Minuten wartete ich, dann raunte ich Pongo zu, daß ich ebenfalls hinüber springen wolle. „Masser vorsichtig sein müssen", erwiderte Pongo. „Masser Torring nicht genug aufgepaßt hat." „Folge mir erst, wenn ich dich rufe, Pongo, nicht früher!" sagte ich ihm noch, dann zwängte ich mich gleichfalls durch die Büsche und huschte über die Lichtung. Vor dem Portal blieb ich unschlüssig stehen. Meine Augen versuchten das Halbdunkel im Innern zu durchdringen. Ich blickte hauptsächlich nach der Seite, wo Rolf verschwunden war. Von ihm war aber nichts zu sehen. Ich hatte die Büchse über die Schulter geworfen, um nicht behindert zu sein. Jetzt griff ich zu meiner Taschenlampe und schaltete sie ein. Ihr greller Strahl durchdrang die vor mir liegende Finsternis.
Ich sah die alte Tempelhalle und im Hintergrund ein Standbild, das wohl Buddha vorstellen sollte. Deutlich erkannte ich, daß das rechte Auge fehlte, obgleich mein Blick nur kurze Zeit darauf geruht hatte. Wo aber war Rolf geblieben?
Die Halle war weit und leer, niemand hielt sich darin auf. Meiner Ansicht nach war mein Freund nicht bis zum Hintergrund der Halle gegangen.
Aber vielleicht stand er hinter einer der vielen dicken Säulen, die das gewölbte Dach trugen?
Ich trat einige Schritte vor. Dann sah ich mich schnell noch einmal nach Pongo um. Er kauerte immer noch hinter den Büschen. Ich wußte, daß er sprungbereit dastand, um mir bei der geringsten Gefahr zu Hilfe kommen zu können.
Diese Gewißheit gab mir den Mut, weiter in die Halle hineinzugehen. Ich wandte mich gleichfalls nach links. Ich erreichte die erste dicke Säule und schritt um sie herum. Niemand war dahinter. Der Schein meiner Taschenlampe glitt über die Wände bis hinauf zur Galerie. Da vernahm ich plötzlich hinter mir ein leises Knacken. Ich wollte herumfahren, aber da wurde es plötzlich dunkel um mich. Ein schwerer dicker Sack war mir blitzschnell über den Kopf gezogen worden. Ich versuchte, mich zu wehren und rief laut nach Pongo, aber ich war überzeugt, daß er mich nicht mehr hören konnte. Ich wurde nach hinten gerissen und sank dann in die Tiefe. Ich war wohl drei Meter gefallen und knickte unten in die Knie. Der Anprall war nicht sehr hart, weil der Boden mit einer dicken Schicht verwelkten Laubes bedeckt war. Ich versuchte mich zu befreien. Mir war der Revolver entfallen, den ich schußbereit
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