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Roman

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Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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einer Handschrift, die ich am liebsten nicht mehr kennen würde.
    Das Schwindelgefühl kehrt zurück. Es hat nichts mit dem Schock oder Blutverlust zu tun. Ich lasse mich auf die unterste Stufe der Treppe sinken.
    Shane betätigt den Lichtschalter, und das erste Mal seit Monaten flammt das Deckenlicht auf.
    Ich blicke hinauf zur Lampe. »Mein Vermieter hat endlich die Birne gewechselt.«
    »Wer weiß. Vielleicht ist auch nur dem Typen von der Liga bei der Überwachung deiner Wohnung langweilig geworden.« Shane setzt sich neben mich. »Soll ich dir den Brief vorlesen?«
    Ich schüttele den Kopf und reiße den Umschlag mit dem Daumen auf. Es erinnert mich heftig an den Augenblick, an dem ich den Skywave-Umschlag mit dem Scheck geöffnet habe.
    Die Worte sind in großer Eile aufs Papier gekritzelt, wahrscheinlich auf so etwas wie einem Türblatt oder einer anderen vertikalen Unterlage geschrieben – immer wieder ist dem Stift die Tinte ausgegangen.

    Ciara,
    als Erstes: ich habe dich nicht hintergehen wollen. Tatsächlich dürfte meine Verbindung zu Gideon das Einzige gewesen sein, was deinen Tod verhindert hat, als du ihm in die Hände gefallen bist. Aber es tut mir leid, dass ich dich belogen habe. Jede einzige Lüge tut mir leid.
    Sie werden mich so schnell sie können wieder in Gewahrsam nehmen. Dann wandere ich wieder ins Gefängnis, wahrscheinlich für den Rest meines Lebens. Falls das passieren sollte, bitte, bitte, komm mich besuchen! Vergib mir.
    Die letzten beiden Zeilen sind mit solcher Vehemenz unterstrichen, dass der Stift sich durchs Papier gedrückt und es hier und da durchlöchert hat. Mir wird eng um die Brust.
    Die restlichen Zeilen sind kaum lesbar.
    Als du noch klein warst, habe ich dir von dem Fluch erzählt, der auf unserer Familie lastet. Ich habe damals gesagt, es sei die Überzeugungskunst; unsere Fähigkeit, jedem alles aufschwatzen zu können und alle dazu zu bringen, noch mehr davon zu wollen. Das war eigentlich als Scherz gedacht, weil die Überzeugungskraft als begehrenswertes Talent gilt.
    Aber jede Gabe ist auch ein verkappter Fluch. Denn schließlich passiert es, und uns gehen die Opfer zum Hintergehen aus. Dann sind die Einzigen, die wir noch über den Tisch ziehen können, die Menschen, die wir lieben.
    Dad hat offenkundig nicht mal mehr die Zeit gehabt, den Brief zu unterschreiben. Das Blatt Papier war eilig und schief zusammengefaltet und beim Hineinstecken in den Umschlag zerknittert worden.
    Ich gebe den Brief Shane zu lesen. Ich stütze den Kopf in die Hände, während er liest.
    Als er fertig ist, sagt er. »Du bist nicht wie er.«
    Aus dem Augenwinkel blicke ich ihn an. »Erinnerst du dich noch daran: Du hast gesagt, du würdest mich gern jeder einzelnen Schicht entblättern, bis du zur echten Ciara vorgestoßen bist?«
    »Auf dem Schreibtisch von Loris Boss. Ich erinnere mich daran, oh ja.«
    Ich hebe den Kopf. »Ist dir je der Gedanke gekommen, das, was du unter der letzten Schicht finden würdest, könntest du nicht mehr wollen?«
    »Woher willst du denn wissen, dass ich die richtige Ciara nicht schon gefunden habe?«
    »Glaub mir: Das hast du nicht.« Ich hole tief Luft und atme langsam wieder aus. »Aber du wirst es gleich.«
    Ich greife in die Gesäßtasche meiner Jeans und ziehe einen anderen Umschlag hervor. Im Tausch gegen Dads Brief drücke ich Shane nun diesen in die Hand. Der Blick, den er mir zuwirft, verrät seine Verwirrung. Dann öffnet er den Umschlag und zieht den rosafarbenen Scheck von Skywave heraus.
    10 Millionen Dollar.
    Ich halte den Atem an, während Shane auf die vielen Nullen starrt.
    »Nein …« Er schüttelt den Kopf. Keinen triumphierenden Zynismus sehe ich in Shanes Zügen. Seine Augen verraten, dass er verletzt ist und bestürzt. Und das verrät mir alles: Er hat bis jetzt an mich geglaubt.
    Seine Stimme wird zu einem Flüstern. »David hat doch erzählt, du hättest den Scheck zerrissen. Noch bei dem Meeting.«
    »Ich habe einen Scheck zerrissen, ja. Ich hatte den Scheck noch in der Tasche, mit dem Travis bezahlt worden ist – zusammen mit seiner abgelaufenen Lizenz. Das waren schließlich die Beweise dafür, dass Skywave uns hat observieren lassen. Und es hätte ja sein können, dass wir das gegen sie einsetzen. Ich habe die Schecks vertauscht, als Jolene in die Besprechung geplatzt ist.« Aus meiner Tasche hole ich den dritten und letzten Umschlag. In ihm befindet sich der zerrissene Scheck. »Was ich zerrissen habe, war ein Scheck über

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