Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
Vom Netzwerk:
schamhaft entschuldigend hinzu : « Ich habe sehr lange gesammelt, man sagt, sie bringen Glück.» – «Ach Krümelchen», entgegnete ich edelmütig entrüstet , « dann wäre es ja wirklich schade. Nimm, ich komme auch ohne sie aus.» Sinotschka war schon sichtlich verärgert, vor Anstrengung, mit der sie mir die Münzen in die Hand drückte, verzog sich ihr Gesicht . « Sie müssen das annehmen», sagte sie . « Sie müssen. Sie beleidigen mich.»
    «Kommt sie mit, kommt sie nicht mit, kommt sie mit, weigert sie sich» – das war das Einzige, was meine Gedanken, meine Gefühle, meine ganze Existenz bewegte, während ich Sinotschka ganz unvermittelt zum Hoteleingang führte. Als sie die erste Stufe betrat, hielt sie inne, als käme sie zur Besinnung. Schwermütig schaute sie zum geöffneten Tor hin, wo diese beiden noch immer wie unerbittliche Wachposten standen. Dann schaute sie zu mir, wie vor einem Abschied, lächelte traurig, senkte den Kopf, fiel irgendwie in sich zusammen und bedeckte mit den Händen ihr Gesicht. Ich griff sie fest am Arm, ganz oben, unter der Schulter, zog sie die Treppe nach oben und bugsierte sie durch die von einem Portier diensteifrig geöffnete Tür.
    Als wir nach einer Stunde, oder wie viel Zeit vergangen war, wieder herauskamen, fragte ich Sinotschka noch im Hof, in welche Richtung sie gehen müsse, um meinen Heimweg in die entgegengesetzte Richtung zu bedeuten und mich noch am Tor für immer von ihr zu verabschieden. So war es üblich, wenn man aus dem «Winogradow» herauskam.
    Wenn mich aber bei solchen endgültigen Abschieden gewöhnlich eine saturierte Langeweile antrieb, gelegentlich auch Abscheu – Gefühle, die mich hinderten, daran zu glauben, dass dieses Mädchen morgen wieder begehrenswert sein könnte (obwohl ich wusste, dass ich es am nächsten Tag bereuen würde) –, so empfand ich jetzt, als ich Sinotschka fortschickte, nur Ärger.
    Ich ärgerte mich, weil die von mir angesteckte Sinotschka auf dem Zimmer, hinter der Trennwand, meine Hoffnungen nicht erfüllt hatte, stattdessen war sie weiter das begeisterte und darum geschlechtslose Kind geblieben wie zuvor, als sie « ach, wie wundervoll» gesagt hatte. Nackt hatte sie mir über die Wangen gestrichen, mit ihrem Stimmchen, das von kindisch-kindlicher Sanftheit klang, immerzu wiederholt : « ach, du mein Lieber, du mein Pfötchen», und diese nicht kokette, nein vielmehr beseelte Sanftheit hatte mich beschämt, hatte mir nicht erlaubt, mich gänzlich dem hinzugeben, was man gewöhnlich Schamlosigkeit nennt – wobei dieser Ausdruck nicht ganz zutreffend ist, denn der hauptsächliche und heftigste Anreiz für die menschliche Lasterhaftigkeit ist die Überwindung der Scham, nicht ihre Abwesenheit. Mit ihrer Unerfahrenheit hatte Sinotschka das Tierische in mir daran gehindert, das Menschliche zu unterdrücken, sodass mir jetzt, da ich unbefriedigt und verärgert war, zu diesem ganzen Zwischenfall nur ein einziges Wort einfiel: umsonst. «Ich habe sie umsonst angesteckt » , dachte und fühlte ich, aber dieses «umsonst » begriff und empfand ich nicht nur, als hätte ich nichts Schlimmes getan, sondern im Gegenteil, als hätte ich ein Opfer gebracht, für das ich im Gegenzug eine Befriedigung erwartet hatte, die mir nicht gewährt worden war.
    Erst als wir schon beim Tor standen und Sinotschka sorgfältig den Papierfetzen einsteckte, auf den ich meinen angeblichen Namen und die erste mir in den Sinn gekommene Telefonnummer geschrieben hatte, erst als wir uns verabschiedet hatten und Sinotschka sich bei mir bedankt hatte, als sie sich von mir entfernte, ja da erst erklang meine innere Stimme – aber nicht die selbstbewusste und dreiste Stimme, mit der ich mich gerne, wenn ich auf dem Sofa lag, in Gedanken an die Außenwelt wandte, sondern jene ruhige und sanftmütige, die sich stets nur an mich wandte. «Ach du», sagte diese Stimme bitter, «du hast das Mädchen zugrunde gerichtet. Sieh nur, da geht sie, die Kleine. Weißt du noch, wie sie immerzu sagte: ‹Ach, du mein Lieber›? Und warum hast du sie zugrunde gerichtet? Was hat sie dir getan? Ach du !»
    Das ist eine erstaunliche Sache: der sich entfernende Rücken eines zu Unrecht gekränkten und für immer fortgehenden Menschen. Es liegt darin so eine menschliche Ohnmacht, so eine erbarmenswerte Schwäche, die zu Mitleid auffordert, dich ruft, dich hinter sich herzieht. Es liegt im Rücken eines sich entfernenden Menschen etwas, das an die Ungerechtigkeiten und

Weitere Kostenlose Bücher