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Ronja Räubertochter

Ronja Räubertochter

Titel: Ronja Räubertochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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aufflammte. Ach, sie hatte einen Bruder, der schon auf sie wartete!
    »Und ich erst«, sagte sie.
    »Ich warte schon, seit ich den Rumpelwichten entkommen bin.«
    Danach wußten beide für eine Weile nichts mehr zu sagen. Sie standen nur still da, aber sehr glücklich darüber, zusammenzusein. Birk hob sein Talglicht und hielt es ihr vor das Gesicht.
    »Die Schwarzaugen hast du noch«, sagte er.
    »Du siehst noch genauso aus, nur ein bißchen blasser.«
    Erst da merkte Ronja, daß Birk nicht mehr genauso aussah, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Er war mager geworden. Sein Gesicht war so schmal, die Augen so groß.
    »Was ist mit dir?« fragte sie.
    »Nichts«, sagte Birk.
    »Ich hab nur nicht viel gegessen. Dabei hab ich mehr bekommen als sonst jemand in der Borkafeste.«
    Es dauerte eine Weile, bis Ronja begriff, was er da gesagt hatte.
    »Soll das heißen, daß ihr nichts zu essen habt? Daß ihr euch nicht satt essen könnt?«
    Satt ist bei uns schon lange keiner mehr geworden. Wir haben fast nichts mehr zu essen. Wenn der Frühling nicht bald kommt, dann geht's mit uns zum Donnerdrummel, genau wie du es gewünscht hast, weißt du noch?« fragte er und lachte wieder.
    »Das war damals«, sagte Ronja.
    »Damals hatte ich noch keinen Bruder. Aber jetzt hab ich einen.«
    Sie öffnete den Lederbeutel und gab ihm das Brot.
    »Da iß, wenn du Hunger hast«, sagte sie. Birk stieß einen seltsamen Laut aus, es klang fast wie ein Schrei. Mit beiden Händen griff er nach dem Brot, hielt dann in jeder Hand ein Stück und aß. Ronja schien für ihn gar nicht mehr dazusein. Er war allein mit seinem Brot und verschlang es bis auf die letzten Krumen. Da gab Ronja ihm die Milchflasche, und er trank gierig, bis sie leer war. Danach sah er Ronja beschämt an.
    »Das wolltest du doch selber haben, nicht?«
    »Wir haben mehr davon«, antwortete sie.
    »Ich hungere nicht.«
    Vor sich sah sie Lovis' reiche Vorräte im Speicher, das herrliche Brot den Ziegenkäse und die Ziegenbutter, die Eier, die Tonnen voller Pökelfleisch, die geräucherten Lammkeulen, die an der Decke hingen, die Laden voller Mehl und Graupen und Erbsen, die Kruken voller Honig, die Körbe voller Haselnüsse und die Beutel voller Blätter und Kräuter, die Lovis gesammelt und getrocknet hatte, um damit die Hühnersuppe zu würzen. Die Hühnersuppe! Bei dem bloßen Gedanken daran wie gut sie nach all dem Gepökelten und Geräucherten in diesem Winter schmeckte, bekam Ronja Hunger. Aber bei Birk war es wirklich Hungersnot, warum, begriff sie nicht. Das mußte er ihr erklären.
    »Wir sind im Augenblick Bettelräuber, verstehst du? Ziegen und Schafe hatten wir auch, bevor wir in die Mattisburg zogen, letzt haben wir nur noch unsere Pferde, und die haben wir über den Winter bei einem Bauern weit hinter dem Borkawald untergestellt. Ein wahres Glück, denn sonst hätten wir sie wohl inzwischen aufgegessen. Außer Mehl und Rüben und Erbsen und Salzheringen haben wir nichts gehabt. Und nun geht auch dieser Vorrat zur Neige. Pfui, was für ein Winter!«
    Ronja hatte das Gefühl, es sei ihre Schuld und die aller Mattisräuber, daß Birk es so schwer hatte und jetzt so mager und verhungert war. Aber lachen konnte er trotz allem noch.
    »Bettelräuber, ja genau, das sind wir! Merkst du nicht, wie arm und dreckig ich rieche?« fragte er mit einem Grinsen.
    »Wir haben ja kaum Wasser gehabt. Wir haben Schnee schmelzen müssen, denn manchmal war es ganz unmöglich, bis zum Wald runterzukommen und die Quelle freizuschaufeln. Und dann, hast du mal versucht, einen Kübel Wasser bei starkem Schneesturm eine Strickleiter raufzutragen? Nein, denn sonst würdest du wissen, warum ich wie ein richtiger Drecksräuber stinke!«
    »Unsere Räuber stinken genauso«, versicherte Ronja, um ihn zu trösten. Sie selber roch ganz gut, denn Lovis schrubbte sie jeden Samstagabend vor dem Feuer in einem großen Waschzuber, und jeden Sonntagmorgen kämmte sie Ronja und Mattis mit dem Lausekamm. Obwohl Mattis darüber klagte, daß sie ihm das ganze Haar ausreiße, und sich immer sträubte.Doch das half ihm gar nichts.
    »Mir reicht es mit zwölf zottigen, verlausten Räubern«, sagte Lovis immer.
    »Den Häuptling kämme ich, so lange ich noch einen Lausekamm in den Händen halten kann.«
    Ronja sah Birk forschend an, wie er da im Schein ihrer Laterne stand. Auch wenn er vielleicht nicht gekämmt wurde lag ihm das Haar doch wie ein Kupferhelm um den Kopf und der Kopf saß so schön auf dem schmalen

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