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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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Genau auf der Höhe ihrer Augen ist der Felsen blutverschmiert.«
    TOK , TOK , TOK ! Moritz klopft noch drei Mal auf den Hocker, dann hält er sich die rechte Faust an den Mund, pustet hinein und lässt die Hand mit den ausgestreckten Fingern durch die Luft fahren, irgendwohin ins Nirgendwo. Das hat schon was.
    »Seinen Körper hat man nie gefunden, aber den Kerl, der den Kopf vom Rumpf getrennt hat. Ein wahnsinniger Serienmörder, der sich in der Höhle vor der Polizei versteckt gehalten hatte. Und wisst ihr, was das Unheimlichste an der Geschichte ist? Das ist alles, alles genau so passiert. So wahr ich hier vor euch stehe.«
    Moritz deutet eine Verbeugung an, um anzeigen, dass seine Geschichte damit beendet ist.
    »Besten Dank, Moritz! Applaus für Moritz Rosendorfer, unseren ungekrönten König der Gänsehaut!«, ruft der Brillenmützenmann und kickt den zerbrochenen Hühnerknochen zur Seite. Er ist auf die Bühne gestürmt, um gleich den nächsten Kandidaten anzusagen, während die Zuschauer noch ganz geschockt im Bann von Moritz’ Geschichte stehen. Die meisten wissen nicht, ob er gelogen oder die Wahrheit erzählt hat. Das sieht man an ihren Gesichtern.
    Es dauert eine Weile, bis aus dem Publikum Beifall ertönt, ein wenig zumindest. Die beiden verliebten Gruftis sind die Einzigen, die wirklich begeistert applaudieren. Denen hat die Geschichte gefallen, und das überrascht mich nicht sonderlich. Hier und da sind auch Buhrufe zu hören. »Was sollte denn der Scheiß?!«, ruft der Glatzkopf rechts vorn. Immerhin fliegen so gut wie keine Erdnüsse, und die wenigen, die geworfen werden, verfehlen ihr Ziel.
    Nach Moritz ist ein Poetry-Slammer dran, der sogar schon ein paarmal im Fernsehen aufgetreten ist. Er nutzt seine Auftritte in der SonderBar, um hier neue Texte auszuprobieren, in denen er
ewigliche Liebe
auf
kaputtes Getriebe
reimt. Während der Dichter seine ersten Lacher einkassiert, drängt sich Moritz an mir und den Besuchern zu Anne durch. Das dauert, weil ein paar Zuhörer unbedingt wissen wollen, ob das wirklich passiert ist. Moritz zuckt nur die Achseln, kommt aber trotzdem nicht weiter, weil er von einem Mann aufgehalten wird, der ihm unbedingt erzählen muss, was der Freundin seiner Schwester passiert ist. Moritz bleibt höflich stehen und hört sich die Geschichte an.
    »Also, diese Freundin meiner Schwester, die hat auf dem Flohmarkt von so einem Typen einen sprechenden Spielzeugroboter für ihren Sohn gekauft. Hat sich nichts groß bei gedacht, als der Kerl sie noch warnt, dass sie ihren Kleinen niemals mit dem Roboter allein lassen darf. Ein Spinner halt, laufen ja genug von rum. Zu Hause bemerkt sie, dass das Gerät gar nicht richtig sprechen kann, sondern immer nur › 57 , 57 , 57 ‹ sagt. Sie stellt den Roboter trotzdem ins Kinderzimmer und geht noch mal kurz raus, um Milch zu holen. Als sie wiederkommt, ist alles voller Blut, und ihr Kleiner liegt tot auf dem Fußboden, während der Roboter › 58 , 58 , 58 ‹ krächzt.«
    Der Märchenerzähler schaut Moritz erwartungsvoll an. Aber Moritz bleibt unbeeindruckt, weil er die Story schon kennt. Die kennt schließlich fast jeder.
    »Und von dem Flohmarktverkäufer fehlt natürlich jede Spur, nicht wahr?«, fragt Moritz.
    »Stimmt genau. Aber ist das nicht echt eine abgefahrene Geschichte?! Die solltest du da oben auf der Bühne mal erzählen«, schlägt der Fremde vor.
    »Ich denk drüber nach«, erwidert Moritz.
    »Tu das!«, ruft ihm der Mann hinterher. »Dann buht auch keiner mehr!«
    Moritz nickt nur und geht weiter zu Anne.
    »Du warst gut, richtig gut!«, begrüßt sie Moritz und küsst ihn auf den Mund.
    »Wirklich?« Moritz greift nach der Wasserflasche und nimmt einen tiefen Zug.
    »Wirklich«, bestätigt Anne. »Aber pass auf, irgendwann glaubt man dir noch die ganzen Geschichten, die du dir immer ausdenkst.«
    »Na und? Ist doch nicht meine Schuld, wenn die Leute so leichtgläubig sind«, erwidert Moritz und grinst.
    Anne lächelt zurück und fährt ihm zärtlich durch die Haare, dann schauen sie beide zur Bühne, wo der Slammer gerade zum Endspurt ansetzt. Der Mann hat es echt drauf. Die ganze SonderBar lacht, und die Aussicht auf einen Erdnussregen geht bei ihm hundertprozentig gegen null.
    »Können wir jetzt gehen? Bitte …«, fragt Anne, als der Mann fertig ist. Nur mit Mühe kann sie ein Gähnen unterdrücken. »Ich bin müde und muss ins Bett. Außerdem habe ich morgen Frühschicht.«
    »Warte noch einen Moment«, erwidert

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