Rosenpsychosen
überfordert, bis nichts mehr übrig ist.
Ich wüsste gerne, wie es in deiner aktuellen Ehe zugegangen ist. Einiges weiß ich ja aus der Zeit, als wir noch miteinander sprachen. Du hast dich sogar bei mir – bei mir! – ausgejammert über sie, wolltest sie hinauswerfen, du hieltest es nicht mehr aus, dieses ständige Gemecker und Auf-dir-Rumgehacke. Einmal – weißt du noch? –, als Brütti gerade geboren war, hast du mich angerufen und mir erzählt, dass Pasis Brief angekommen sei, mit dem sie ein Foto von sich, stolz, und ihrem »neuen Bruder« mitgeschickt hatte. Als deine Frau das sah, hat sie es vom Tisch gefegt und dich angebrüllt, ihr hättet damit nichts zu tun, und sie wolle »so was« hier nicht sehen. Da war für dich Schluss mit lustig, und das wäre auch ganz normal gewesen. Aber du hast sie nicht hinausgeworfen. Wieso eigentlich nicht? Das wird uns allen immer ein Rätsel bleiben. Und dann hast du ihr auch noch deinen Namen gegeben. Das wiederum ist leicht zu verstehen, denn du hattest gerade Schwarz auf Weiß bekommen, was dein Ende sein würde. Da hattest du Angst, wolltest nicht allein sein, das verstehe ich. Das war übrigens auch der Zeitpunkt, an dem ich dachte: Gut, wenn er sie heiratet, dann werden wir sie jetzt auch in vollem Umfang akzeptieren, egal, was sie sich bereits alles an Frechheiten und Geschmacklosigkeiten geleistet hat.
Kennst du diese Geschichte von Goethe und seiner schlichten Christiane? Nun bist du nicht gerade Goethe, und deine Frau ist auch nicht Christiane, denn die soll ja sehr gutherzig gewesen sein, trotzdem erinnert mich diese Geschichte an euch. Man hat sich das Maul über Christiane zerrissen, sie von der Gesellschaft ausgeschlossen, sich nicht zu ihr herabgelassen. Erst, als er sie geheiratet hat, wurde man etwas milder. Frau Schopenhauer soll gesagt haben: »Ich denke, wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben.« Na, deine Frau jedenfalls wollte keinenTee, und irgendwann war ich auch nicht mehr kräftig genug, ihr mit ausgestrecktem Arm das Tablett hinzuhalten. Komischerweise bin ich bei aller Wut auch ihr gegenüber immer noch lauwarm gestimmt. Ich will ihr nie wieder begegnen – das war furchtbar heute –, aber ich habe auch nichts dagegen, dass sie nun dank eines veritablen Erbes mit ihren drei Kindern ein anständiges Leben führen kann. Immerhin hat sie dich gepflegt und war, hoffe ich, bei dir, als du deinen letzten Atemzug getan hast. Und wer weiß, vielleicht habt ihr ja wirklich zusammen immer eng umschlungen dieses Lied gehört, wie es der Pfarrer vorhin gesagt hat. Ein Stern, der deinen Namen trägt … Meine Güte, wahrhaben will ich es ja nicht, aber wenn es danach ginge, wäre kaum etwas wahr.
Marie hatte bis jetzt nicht bemerkt, wie sie weinte und weinte. Doch nun lief ihr die Nase. Sie hatte kein Taschentuch mehr, weil sie alle Pasi geopfert hatte. Kurz erwog sie, die Trauerschleife eines Gesteckes zweckzuentfremden, entschied sich aber dann ungeheuerlicherweise für ihren Ärmel.
Tja, Adam, wir waren wohl ein Irrtum. Ich werde es nie verschmerzen, dass wir nicht mehr miteinander gesprochen haben, aber versuchen, das in meinem Hirn als deinen unverfälschten Willen zu fixieren. Vielleicht kann ich dann mal wieder auf dich wütend sein. Und jetzt ist mein Ärmel voller Schnodder, deinetwegen, und davon kann ich irgendwann stolz meiner … Dingsda berichten. Mit vollgeschnoddertem Ärmel stehe ich hier und behalte trotzdem meinen Blazer an, alle Achtung.
Ich gehe jetzt. Muss Pasi und meine Mutter nach Hause fahren. Du und dein Vater – habt ihr ab jetzt ein Auge auf Pasi? Sie wird es brauchen können, schätze ich. Und sollte Pasi mal eine Tochter zur Welt bringen, dann legt doch bitteein gutes Wort dafür ein, dass sie nicht schon als Mädchen ihren Vater begraben muss, ja? Meine Mutter, ich, Pasi – das reicht wohl, sagt das denen da oben. Wo immer du bist, leb wohl. Und, Adam, guck nicht so rehäugig, das ist nicht auszuhalten.
Epilog
Herr Herzog und Dieter wurden ein glückliches Paar. Sie eröffneten in ihrem grauen Städtchen das CKMH, ein Café für kulturinteressierte männliche Homosexuelle, das sie jedoch alsbald wegen Mangels an kulturinteressierten männlichen Homosexuellen wieder schließen mussten, da ihnen, als sie zwecks Belebung des Geschäfts einen Darkroom einrichten wollten, die Fördermittel endgültig gestrichen wurden.
Nach einem gemeinsamen Jahr in Südindien betreiben sie
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