Blutseelen 03: Laira: Erotischer Vampirroman (German Edition)
Kapitel 1
Memphis, der letzte Tag
Au’ree spürte trotz der Hitze ein eisiges Gefühl im Magen, während er darauf wartete, was seine Mutter ihm zu sagen hatte. Er betrachtete sie aus den Augenwinkeln. Schön und verdammt beherrschte sie mit ihrer unbeugsamen Ausstrahlung den Raum, gleich einer Königin der Dämonen. Ihre Seele war finsterer als der Schlamm des Nils. Genauso brachte auch sie Leben und Tod, wurde geliebt und gehasst, verehrt und verdammt. Lai’raa forderte Opfer – sie erhielt Nahrung, Güter, Menschenleben. Was würde sie von ihm verlangen?
Das durchsichtige Gewand Lai’raas umfloss ihren braun gebrannten Körper, gleich Stoff gewordenem Nebel. Ihre Brustspitzen stachen gegen das Linnen, an ihrem Unterleib zeichnete sich ihr Schamhügel ab. Hände und Arme bedeckte kostbarer Schmuck. Auf ihrer linken Schulter hockte – neben den Halsreifen aus Gold und Lapislazuli – ein weißer Falke. Seine rot umrandeten Augen blickten starr in den Prunkraum des ägyptischen Palastes. Ihn interessierten weder die teuer gewirkten Teppiche noch die Strategiespiele aus Jaspis und Karneol oder die kunstvoll gearbeiteten Löwenstatuen. Das Tier war ein Leibeigentum, genau wie Au’ree.
Lai’raa ließ sich auf eine Steinliege mit einem weißen Werwolffell darüber sinken. Au’ree spannte seine Finger an. Am liebsten hätte er sie angeherrscht, weil sie nicht redete und ihn am Haken zappeln ließ. Ihre Bewegungen waren reine Provokation. Sie nahm sich Zeit, sich bequem hinzulegen, obwohl ihre Haut keinen Schmerz empfand. Anmutig hielt sie den Kopf aufrecht, damit die kunstvolle Frisur ihren Halt wahrte und die in Gold gewirkten Bänder nicht verrutschten. Lai’raa machte sich nicht die Mühe, ihn anzusehen. Stattdessen fixierten ihre Kol umrandeten Augen die gegenüberliegende Wand, die aus einzelnen, bearbeiteten Quadern bestand und den Triumph ihres letzten Kriegszugs darstellte. Während andere Frauen des Palastes rotes Erdpulver auf den Lippen trugen, lag auf Lai’raas Lippen immer ein Rest Blut, den sie nicht fortleckte.
Das Blut glitzerte feucht, als sie den Mund öffnete. „Ich werde dich in dieser Nacht töten, Au’ree.“
Innerlich erstarrte Au’ree, sein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an. Auf seiner Brust lag ein Druck, als würde man ihn lebendig für das Begräbnis bandagieren. Nie zuvor hatte jemand sein Leben ernsthaft bedroht. Lai’raa war die Einzige, die ihm gefährlich werden konnte. Wenn sie ankündigte, ihn zu vernichten, würde es geschehen.
Lai’raa griff nach einem mit Honig gesüßten Brot und zupfte das Gebäck mit spitzen Fingern auseinander. Noch immer sah sie ihn nicht an.
Au’ree hob den Kopf, ohne sich seine Gefühle anmerken zu lassen. Seine Stimme klang gewohnt ruhig. „Was hat Euch derart verärgert, Göttliche?“
Lai’raas Antwort war ein Zischen. „Du lässt dich mit einer Priesterin Hathors ein, anstatt die Prinzessinnen zu besteigen, die ich dir in meinem Großmut geschenkt habe, damit du sie nimmst und mit Nachwuchs beglückst. Du scheinst sogar etwas wie Liebe für diese nichtswürdige Kreatur zu empfinden. Und das, obwohl du genau weißt, dass ich den Hathor-Kult abschaffen will. Nie denkst du an das Wohl Ägyptens! Immerzu bist du stur und unbrauchbar. Wenn du nur …“
„… ein Mädchen geworden wärst“, endete Au’ree den Satz. „Zu dumm, dass Ihr es bei aller Göttlichkeit nicht schafft, eine Nachfolgerin zu gebären.“
Lai’raas Augen verengten sich. Au’ree wusste, dass er zu weit gegangen war. Aber da sie ihn ohnehin töten wollte, spielte das keine Rolle mehr. Sein Stolz verbot es ihm, vor ihr zu kriechen. Der Charakter eines Mannes wurde bestimmt durch seine Familie, das wusste das Volk am Nil in seinen einfachsten Liedern zu singen. Wenn er in dieser Nacht sterben musste, würde er aufrecht sterben, ohne Betteln und Reue.
Lai’raa betrachtete seinen Körper wie ein Stück getrocknetes Fleisch auf einem Markt, das gerade im Wert stieg. „Du hast Mut. Wenigstens das.“
Au’ree hielt ihrem Blick stand. „Sagt mir, was mich erwartet.“
Ein diabolisches Lächeln erschien auf Lai’raas Gesicht. „Oh nein. Ich werde dich töten, doch ich verrate nicht, wie ich es tue. Freue dich, denn du kannst mir endlich einmal nützlich sein. Vielleicht sogar der ganzen diesseitigen Welt. Nun geh. Genieß deine letzten Stunden.“
Frankfurt, auf dem Weg zur Bestimmung
Mai starrte aus dem fahrenden Wagen hinaus in
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