Rotglut
brutalen Tritt gegen die Brust, sodass er mitsamt seinem Stuhl umstürzt, sein Kopf schlägt unsanft auf dem Boden auf, die Flasche fällt klirrend zu Boden und rollt davon.
»Fresse halten, alter Mann. Keinen Ton mehr, hörst du?«
Ein weiterer gezielter Tritt auf sein rechtes Knie lässt Rosenberg aufjaulen.
»So, das reicht jetzt aber. Du willst ihn doch nicht umbringen. Tot nützt er uns gar nichts.« Eine dumpfe Männerstimme, ähnlich der des anderen Mannes. Aber nicht dieselbe, die ihm den Text vorgelesen hat. Es müssen also mindestens drei sein. Die Stimmen klingen, als ob die Männer sich etwas vor den Mund gebunden haben, um sie zu verfälschen.
»Wir können ihn doch nicht wie einen Käfer hier auf dem Rücken liegen lassen«, jammert die Mädchenstimme, auch diese klingt seltsam, wie durch einen Wattebausch.
»Er hat sich das selber eingebrockt, ist ja nicht für lange.«
»Was ist, wenn er kotzen muss? Dann erstickt er uns. Los, wir heben ihn auf.«
Rosenberg kann nur mit Mühe die einzelnen Stimmen unterscheiden. Sein Knie sendet Schmerzsignale an seinen dröhnenden Kopf, in dem es summt wie in einem aufgebrachten Bienenstock. Unsanft wird er beidseits an den Armen hochgerissen, mitsamt seinem Stuhl wieder hingestellt.
»Los, und jetzt das Foto.«
»Scheiße, mir fällt ein, ich hab den Fotoapparat zu Hause liegen lassen.«
»Du Schwachkopf! Dann besorg ihn, und zwar pronto.«
»Wenn ich jetzt zu Hause auftauche, um ihn noch zu holen, hat mein Vater mich gleich am Wickel. Ich soll ihm helfen, den Pool …«
»Halt’s Maul, du Idiot. Posaun doch gleich deine Adresse aus. Okay. Wir verschwinden jetzt erst einmal. Das hat noch Zeit mit dem Foto. Dann machen wir es eben morgen. Ich hab da sowieso noch eine Idee.«
Rosenberg hat eine unruhige Nacht hinter sich. An Einschlafen ist nicht zu denken gewesen, zu sehr schmerzte sein Kopf, bestimmt hat er eine Gehirnerschütterung. Permanent bewegt er Hände und Füße in drehenden Bewegungen, damit sie nicht wieder einschlafen, und auch in der Hoffnung, die Fesseln zu lockern. Wenigstens hat sich sein Knie wieder beruhigt.
Kurz fällt er dann doch in einen nervösen Schlaf, die Erschöpfung ist zu groß. Er träumt, dass er nackt auf einen Stuhl gefesselt ist und dass er, wie bei einem Elfmeter, permanent mit einem Fußball beschossen und traktiert wird. Als er sich lauthals über diese Behandlung beschweren will, kommt nur ein leises Wimmern über seine Lippen. Rosenberg erwacht.
Wieder verspürt er einen geradezu unmenschlichen Durst und nun meldet sich auch seine Blase. Unruhig rutscht er auf dem Stuhl, soweit wie es ihm möglich ist, hin und her und kneift die Oberschenkel zusammen.
›Mein Gott, lass die Entführer gleich auftauchen. Ich mach mir sonst in die Hose.‹ Für Rosenberg eine noch quälendere Vorstellung, als nichts zu trinken zu bekommen.
Sein Zeitgefühl hat er komplett verloren, weiß nicht, ob es Tag oder Nacht ist. Endlich hört er die erlösenden Schritte, die Tür wird wieder aufgesperrt, aufgeschoben.
»Ich muss dringend auf die Toilette, bitte binden Sie mich los. Ich mach Ihnen auch keine Scherereien«, krächzt er.
Er erhält keine Antwort, aber jemand macht sich an seinen Füßen zu schaffen, bindet ihn los und zieht ihn unsanft vom Stuhl. Rosenberg verliert fast das Gleichgewicht, denn seine Beine wollen ihm kaum gehorchen. Unsicher macht er einen Schritt, einen zweiten, dann wird er gestoppt. Jemand nestelt an seinen Handfesseln. Es dauert etwas, dann fühlen sich seine Hände befreit an. Instinktiv will er sich an den Kopf fassen, doch sofort lässt er die Arme wieder sinken. Zu groß ist seine Angst, dass er wieder geschlagen wird.
»Halt, alter Mann, nicht weiter. Hör zu, ich führe dich jetzt zum Klo, der Sack bleibt über dem Kopf, versuch erst gar nicht, ihn dir runterzureißen. Dann machst du ganz langsam deine Hose auf und setzt dich aufs Klo, hast du verstanden? Du setzt dich hin. Ich habe keine Lust, dir noch dein Ding zu halten. Also los jetzt.«
Rosenberg spürt, dass er rot wird. Er wird am Arm gefasst, wohl Richtung Tür geführt, denn er stolpert über einen niedrigen Absatz. Es wird kühler, vielleicht ein Flur. Nur ein paar Schritte, dann halten sie an. Eine Tür wird geöffnet, es riecht nach einer Mischung aus Chlor und Lavendel.
»So, rein mit dir, und keine Dummheiten, ich bleibe neben dir stehen.«
Rosenberg wird gedreht und geschoben, bis seine Kniekehlen an den Toilettenrand
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