Rousseau's Bekenntnisse
starb kurz darauf. Er besaß Talent und Geist, war aber halb und halb das Original zu seinem Lustspiel, nämlich ein halber Geck den Frauen gegenüber und deshalb von ihnen nicht übertrieben betrauert.
Dagegen darf ich einen neuen Briefwechsel aus jener Zeit nicht übergehen, der den Rest meines Lebens allzu sehr beeinflußt hat, als daß ich außer Acht lassen könnte, den Anfang desselben anzugeben. Es handelt sich um Herrn Lamoignon von Malesherbes, ersten Präsidenten der Cour des Aides , damals mit der Leitung der Preß-Angelegenheiten beauftragt, welches Geschäft er mit eben so großer Kenntnis wie Milde und zur großen Genugthuung der Schriftsteller besorgte. Ich hatte ihn in Paris nicht ein einziges Mal besucht, indessen hatte ich von ihm, was die Censur anlangt, die verbindlichsten Gefälligkeiten erfahren, und ich wußte, daß er die, welche gegen mich schrieben, bei mehr als einer Gelegenheit, sehr übel behandelt hatte. Neue Beweise seiner Güte erhielt ich bei dem Drucke der »Julie«, denn da die Beförderung der Druckbogen von Amsterdam bis Paris durch die Post sehr theuer war, so gestattete er, daß sie an ihn, der Portofreiheit besaß, adressirt wurden, und sandte sie mir dann unter dem Siegel seines Vaters, des Kanzlers, gleichfalls portofrei zu. Als das Werk gedruckt war, erlaubte er darauf im Königreiche nur den Verkauf einer Ausgabe, die er wider meinen Willen zu meinem Nutzen besorgt hatte. Da dieser Nutzen meinerseits ein gegen Rey, dem ich mein Werk in Verlag gegeben hatte, begangener Diebstahl gewesen wäre, so wollte ich das mir dafür bestimmte Geschenk nicht allein nicht ohne dessen Einwilligung, die er mir sehr großmüthig ertheilte, annehmen, sondern wollte auch die hundert Pistolen, auf welche sich dieses Geschenk belief, mit ihm theilen, ohne ihn jedoch zur Annahme bewegen zu können. Für diese hundert Pistolen hatte ich die Unannehmlichkeit, auf die mich Herr von Malesherbes nicht aufmerksam gemacht hatte, mein Werk entsetzlich verstümmelt und den Verkauf der guten Ausgabe verhindert zu sehen, bis die schlechte abgesetzt war.
Ich habe Herrn von Malesherbes stets als einen Mann von erprobter Rechtschaffenheit betrachtet. Nie hat mich etwas von dem, was mir begegnet ist, auch nur einen Augenblick an seiner Redlichkeit zweifeln lassen; allein eben so schwach wie redlich schadet er bisweilen den Leuten, an denen er doch Theil nimmt, durch das Bestreben, sie zu schützen. Nicht allein ließ er in der Pariser Ausgabe mehr als hundert Seiten fort, sondern er nahm auch in dem Exemplare der guten Ausgabe, welches er der Frau von Pompadour sandte, eine Aenderung vor, welche man mit dem Namen Treulosigkeit bezeichnen könnte. In irgend einer Stelle dieses Werkes heißt es, die Frau eines Köhlers sei achtungswerther als die Geliebte eines Fürsten. Diesen Satz hatte ich in dem Eifer der Ausarbeitung niedergeschrieben ohne irgend eine Anspielung, das beschwöre ich. Als ich meine Arbeit noch einmal durchlas, sah ich ein, daß man jene Stelle für eine Anspielung halten würde. Trotzdem wollte ich diese Stelle nicht streichen. Ich ließ mich nämlich von dem sehr unklugen Grundsatze leiten, aus Rücksicht auf Anspielungen, die man etwa entdecken könnte, nichts fortzulassen, sobald mir mein Gewissen das Zeugnis gab, daß mir eine solche beim Niederschreiben ferne lag. Ich begnügte mich deshalb damit, das Wort »König«, das ich anfangs gewählt, mit dem Worte »Fürst« zu vertauschen. Diese Abschwächung schien Herrn von Malesherbes nicht genügend. Er entfernte den ganzen Satz dadurch, daß er das Blatt, auf dem er stand, herausnehmen und ein anderes, besonders dazu gedrucktes in das Exemplar der Frau von Pompadour so sauber wie möglich kleben ließ. Diesen Streich erfuhr sie recht wohl; es fanden sich ehrliche Seelen, die sie davon in Kenntnis setzten. Ich für meine Person erfuhr es erst lange nachher, als ich schon die Folgen davon zu empfinden begann.
Liegt hierin nicht vielleicht auch der erste Ursprung des heimlichen, aber unversöhnlichen Hasses einer andren Dame, die sich in einer ähnlichen Lage befand, [Fußnote: Die Gräfin von Boufflers, Geliebte des Prinzen Conti.] ohne daß ich etwas davon wußte, oder sie selbst auch nur kannte, als ich jene Stelle schrieb? Beim Erscheinen des Buches war die Bekanntschaft indessen gemacht, und ich wurde deshalb sehr unruhig. Ich sagte es dem Chevalier von Lorenci, der mich auslachte und mir die Versicherung gab, diese Dame fühlte sich
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