Rousseau's Bekenntnisse
zu voll ist. Schon beim ersten Besuche glaubte ich zu gewahren, daß ich ihr trotz meines linkischen Wesens und meiner unbeholfenen Redeweise nicht mißfiele. Alle Frauen vom Hofe wissen euch, sobald sie es wollen, dies zu verstehen zu geben, ob es nun wahr ist oder nicht, aber sie verstehen nicht alle wie Frau von Luxembourg euch diese Ueberzeugung so angenehm zu machen, daß man es sich nicht mehr in den Sinn kommen läßt, daran zweifeln zu wollen. Vom ersten Tage an würde mein Vertrauen zu ihr eben so vollkommen gewesen sein, wie es binnen kurzem wurde, hätte es sich nicht Frau Herzogin von Montmorency, ihre Schwiegertochter, eine ziemlich boshafte und, wie ich glaube, ein wenig streitsüchtige Närrin, einfallen lassen, mit mir immerfort anzubinden und hätte sie nicht trotz aller Zuvorkommenheiten ihrer Mama und ihrer eigenen heuchlerischen Schmeicheleien den Verdacht in mir erweckt, ob man sich nicht etwa doch über mich lustig machte.
Ich hätte mich über diese Befürchtung im Verkehre mit den beiden Damen vielleicht schwer beruhigt, wenn mir nicht die ungemeine Güte des Herrn Marschalls dafür gebürgt hätte, daß auch die ihrige ernstlich gemeint wäre. In Anbetracht meines schüchternen Charakters war nichts überraschender als die Geschwindigkeit, mit der ich ihn in Bezug auf den Fuß von Gleichheit, auf den er sich mit mir stellen wollte, beim Worte nahm, wenn es nicht etwa die Geschwindigkeit war, mit der er selbst mich wegen der unbeschränkten Unabhängigkeit, in der ich leben wollte, beim Worte nahm. Beide überzeugt, daß ich Grund hatte, mit meiner Lage zufrieden zu sein und keine Aenderung derselben zu wünschen, schien weder er noch Frau von Luxembourg sich auch nur einen Augenblick um meine Börse oder mein Vermögen kümmern zu wollen. Obgleich ich an dem innigen Antheil, den sie beide an mir nahmen, nicht zweifeln konnte, haben sie mir nie eine Stelle vorgeschlagen oder ihren Einfluß angeboten, wenn nicht etwa ein einziges Mal, wo Frau von Luxembourg meinen Eintritt in die französische Akademie zu wünschen schien. Ich berief mich auf meine Religion. Sie erklärte mir, in ihr läge kein Hindernis oder sie wollte sich wenigstens verpflichten, es zu heben. Ich erwiderte, eine wie große Ehre es auch für mich wäre, Mitglied einer so erlauchten Körperschaft zu werden, so könnte ich doch füglich in keine mehr eintreten, nachdem ich es Herrn von Tressan und gewissermaßen dem Könige von Polen abgeschlagen hätte, in die Akademie von Nancy einzutreten. Frau von Luxembourg bestand nicht darauf, und es wurde nicht mehr davon gesprochen. Diese Einfachheit des Umganges mit so hohen Herrschaften, die bei der wohlverdienten innigen Freundschaft des Königs für Herrn von Luxembourg alles für mich zu thun im Stande waren, sticht eigentümlich gegen die fortwährenden, eben so lästigen wie eifrigen Bemühungen der gönnerhaften Freunde ab, von denen ich mich eben getrennt hatte, und die weniger darauf ausgegangen waren, mir zu dienen als mich zu demüthigen.
Als der Marschall zu mir nach Mont-Louis zum Besuch gekommen war, hatte ich ihn und sein Gefolge nicht ohne Besorgnis in meinem einzigen Zimmer empfangen, nicht weil ich gezwungen war, ihn zwischen meinen schmutzigen Tassen und zerbrochenen Töpfen Platz nehmen zu lassen, sondern weil mein verfaulter Fußboden in Stücke zerfiel, und ich befürchtete, daß das Gewicht seines Gefolges ihn ganz zertrümmern würde. Weniger mit meiner eigenen Gefahr als mit der beschäftigt, welcher sich dieser gute Herr durch seine Freundlichkeit ausgesetzt sah, beeilte ich mich, ihn ihr dadurch zu entreißen, daß ich ihn trotz der noch immer anhaltenden Kälte in meinen ganz offenen und kaminlosen Thurm führte. Als er darin war, theilte ich ihm den Grund mit, der mich genöthigt hatte, ihn dorthin zu bringen. Er erzählte ihn der Frau Marschall wieder, und beide drängten in mich, bis mein Zimmer neu gedielt wäre, eine Wohnung im Schlosse oder, wenn mir das lieber wäre, in einem abgelegenen Gebäude anzunehmen, das mitten im Parke lag und das »kleine Schloß« genannt wurde. Diese zauberhaft schöne Wohnung verdient eine Schilderung. Der Park oder Garten von Montmorency ist nicht eben wie der der Chevrette. Er ist hügelig, Anhöhen und Senkungen wechseln mit einander, die der geschickte Künstler benutzt hat, um in die Baumgruppen, Zieranlagen, Wasserkünste und Aussichtspunkte Abwechselung zu bringen und einen an sich ziemlich beschränkten Raum
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