Rousseau's Bekenntnisse
außerhalb des Landes schuldig war. Ich würde selbst in Genf weit weniger frei gewesen sein, wo die Obrigkeit, an welchem Orte auch meine Bücher gedruckt sein mochten, das Recht besaß, den Inhalt derselben ihrer Kritik zu unterwerfen. Diese Erwägung hatte viel dazu beigetragen, daß ich den Bitten der Frau von Epinay nachgab und von der Uebersiedlung nach Genf abstand. Ich fühlte, wie ich es im Emil ausgesprochen habe, daß man, liebt man nicht Intriguen und will man seine Bücher dem wahren Wohle des Vaterlandes widmen, sie nicht im Schooße desselben abfassen darf.
Was mich meine Lage noch glücklicher finden ließ, war die von mir gefaßte Ueberzeugung, daß es sich die französische Regierung, wenn sie mich vielleicht auch nicht mit günstigem Auge betrachtete, doch zur Ehre anrechnen würde, mich zwar nicht zu beschützen, aber doch wenigstens in Ruhe zu lassen. Meines Bedünkens war es eine sehr einfache und gleichwohl sehr geschickte Politik, sich aus der Duldung dessen, was man nicht hindern konnte, ein Verdienst zu machen; weil bei meiner Verbannung aus Frankreich, was alles war, wozu der Regierung das Recht zustand, meine Bücher dessenungeachtet und vielleicht mit weniger Mäßigung geschrieben worden wären, während sie, wenn sie mich in Ruhe ließ, den Verfasser als Bürgschaft für seine Werke behielt und zugleich ein im übrigen Europa tief eingewurzeltes Vorurtheil vernichtete, indem sie sich in den Ruf setzte, das Völkerrecht offenkundig zu achten.
Wer nach dem Erfolge denken möchte, daß mich meine Zuversicht getäuscht habe, könnte sich möglicherweise selbst täuschen. Bei dem Unwetter, das auf mich eingestürmt ist, haben meine Bücher nur als Vorwand gedient, während es in Wirklichkeit auf meine Person abgesehen war. Um den Schriftsteller kümmerte man sich sehr wenig, aber man wollte Jean Jacques verderben, und das größte Unrecht, das man in meinen Schriften gefunden haben mag, war die Ehre, welche sie mir bringen konnten. Gehen wir jedoch auf das, was die Zukunft brachte, jetzt nicht ein. Ich weiß nicht, ob sich dieses Geheimnis, welches für mich noch immer fortdauert, den Lesern in der Folge aufklären wird; ich weiß nur, daß, wenn meine kund gewordenen Grundsätze die Ursache der Behandlung gewesen, die ich erduldete, ich sicherlich schon früher ihr Opfer geworden wäre, da diejenige von allen meinen Schriften, in der jene Grundsätze mit der meisten Kühnheit, um nicht zu sagen Vermessenheit, ausgesprochen sind, [Fußnote: Die Abhandlung über die Ungleichheit der Stände.] sogar schon vor meiner Uebersiedelung nach der Eremitage ihre Wirkung geübt zu haben schien, ohne daß jemand daran gedacht hätte, ich will nicht sagen, Streitigkeiten mit mir anzufangen, sondern auch nur der Veröffentlichung des Werkes in Frankreich, wo es eben so öffentlich wie in Holland verkauft wurde, hinderlich entgegenzutreten. Seitdem erschien die »Neue Heloise« eben so unbeanstandet, ich darf sagen mit gleichem Beifall, und was fast unglaublich scheint, ist hierbei der Umstand, daß das Glaubensbekenntnis dieser nämlichen Heloise, das sie sterbend ablegte, genau dasselbe ist wie das des savoyischen Vikars. Alle kühnen Stellen im » Contrat social « standen früher in der »Abhandlung über die Ungleichheit«, alle kühnen Stellen im »Emil« standen früher in der »Julie«. Nun, diese kühnen Stellen erregten gegen die beiden früheren Werke keinen Lärm; folglich waren sie es auch nicht, die gegen die späteren Lärm erregten.
Eine andere Unternehmung ungefähr nämlicher Art, obgleich der Gedanke daran erst später in mir aufgestiegen war, beschäftigte mich in diesem Augenblicke vorzugsweise; es war der Auszug aus den Werken des Abbé von Saint-Pierre, von dem ich, durch den Faden meiner Erzählung mit fortgerissen, bis jetzt nicht habe sprechen können. Die Idee dazu war mir nach meiner Rückkehr von Genf von dem Abbé von Mably, zwar nicht unmittelbar, aber durch Vermittlung der Frau Dupin eingegeben worden, die ein gewisses Interesse dabei hatte, mich zu der Ausführung dieser Arbeit zu bestimmen. Sie war eine jener drei oder vier hübschen Pariserinnen, deren verhätscheltes Schooskind der greise Abbé gewesen, und war sie auch nicht gerade sein unbestrittener Liebling, so hatte sie den ersten Platz in seinem Herzen doch nur mit Frau von Aiguillon getheilt. Sie bewahrte dem Andenken des braven Mannes eine Achtung und Liebe, die beiden zur Ehre gereichte, und ihrer Eigenliebe
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