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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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zumindest seit sie ein kleines Mädchen gewesen war.
    »Wo müssen wir hin?«, fragte Daddy.
    Carlie deutete nach links, und Daddy bog ab.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Sie nickte. »Nach dem nächsten Stoppschild ist es das dritte Haus auf der rechten Seite.«
    Vor dem ersten Haus auf der rechten Seite erledigte ein schwarzer Hund mit grauer Schnauze sein Geschäft. Der Vorgarten des zweiten Hauses bestand nur aus nackter Erde und Unkraut, und der ungestrichene Lattenzaun sah aus wie ein Gebiss, bei dem ein paar Zähne ausgeschlagen worden waren.
    Das Haus, vor dem Daddy parkte, hatte einen unversehrten Zaun. Er konnte mal wieder einen Anstrich gebrauchen, aber dafür war der lückenhafte Rasen im Vorgarten vor Kurzem gemäht worden. Auf einem alten Gartenstuhl saß eine schwarzhaarige Patti-Playpal-Puppe.
    »Tja, da wären wir«, seufzte Carlie und stieg aus dem Auto. Sie hob mich ein Stück hoch und drückte mich kurz an sich, bevor sie mich auf dem Boden absetzte. »Bringen wir’s hinter uns.« Sie ging den Weg zum Haus hinauf, Daddy und ich folgten ihr. Vor dem Eingang hob sie die Hand, um zu klopfen, hielt inne, lachte und öffnete mit einem Kopfschütteln die Tür.
    Wir kamen in einen dunklen Flur. In der Ecke stand ein Wäschekorb, der Boden war mit Spielzeug übersät, und mitten auf dem schwarz-weiß gestreiften Läufer lag ein dicker, gelber Kater, als wäre er geschmolzen und daran kleben geblieben. Sein Schwanz zuckte. Carlie sagte: »Tiger«, und versuchte ihn zu sich zu locken, doch Tiger starrte sie nur aus orange glühenden Augen an und begann dann, seine rechte Vorderpfote zu lecken. Chlorbleiche und Zigarettenrauch stiegen mir in die Nase.
    Zwei kleine Kinder kamen in den Flur. Das eine konnte gerade eben laufen und war bis auf eine Windel nackt. Das andere, ein Mädchen, war etwas älter und trug eine braune Cordlatzhose und darunter eine blau gestreifte Bluse. Es schob die Finger in den Mund und starrte uns an. Beide Kinder hatten dunkelrotes Haar und braune Augen. Das kleine Mädchen lächelte mich an, und ich lächelte zurück.
    »Hallo«, sagte Carlie. »Ich bin eure Tante Carlie.« Und, zu dem Mädchen gewandt: »Du musst Robin sein.« Das andere Kind verlor seine Windel, und Daddy sagte: »Dann ist das hier wohl Ben.« Die Kinder schwiegen, Tiger hörte auf, an seiner Pfote zu lecken, und niemand sonst kam, um nachzusehen, wer da an der Tür war.
    »Netter Empfang«, murmelte Carlie. Sie holte tief Luft, stieg über den Kater hinweg und ging um die Ecke nach links. Ich wich an die Wand zurück, als Tiger erneut mit seinem buschigen Schwanz zuckte und mich mit seinen Glutaugen musterte.
    Der Raum links vom Flur, in den Carlie verschwunden war, lag so im Dunkeln, dass ich nichts weiter erkennen konnte als das Bild des Fernsehers, der in der Mitte vor der Wand stand. Es war Mittag, und draußen schien die Sonne, aber die schweren Vorhänge waren fest zugezogen. Als meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte ich den Umriss eines Sessels erkennen. Der Lichtschein des Fernsehers fiel auf die linke Armlehne, auf der der Unterarm eines Mannes lag. Die Hand am Ende des Arms hielt eine brennende Zigarette. Neben dem Sessel stand ein Aschenbecher voller Stummel. Die Hand bewegte sich und schnippte die Asche der Zigarette hinein.
    Rechts davon saß eine Frau auf einem Sofa, das vor der Wand kaum zu erkennen war. Sie hatte Kleider zusammengelegt, als wir hereinkamen. Ihr Gesicht flackerte in unterschiedlichen Weißtönen, je nachdem, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Ihr Haar konnte schwarz sein oder auch dunkelbraun.
    »Hallo, Mom«, sagte Carlie zu ihr. »Überraschung!« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen. Ihre Stimme klang hoch und schrill.
    »Ja, Grundgütiger«, sagte die Frau. Sie stand auf, sagte noch einmal »Ja, Grundgütiger« und umarmte Carlie kurz und heftig. Dann sah sie zu Daddy und hinunter zu mir. »Mom, das ist Leeman, mein Mann«, sagte Carlie. »Und das ist Florine, unsere Tochter.«
    »Ja, Grundgütiger«, sagte die Frau wieder, und ich fragte mich, ob sie auch noch andere Wörter kannte. Sie warf einen schnellen Blick auf den Sessel, dann schaute sie mich an. »Was für ein hübsches Mädchen«, sagte sie. »Florine? Das ist ein ungewöhnlicher Name. Und Leeman auch«, fügte sie hinzu, und Daddy gab ihr die Hand. Ein paar »Nett, Sie kennenzulernen« wurden über meinen Kopf hinweg gewechselt, aber

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