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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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fing Ben unten an zu weinen, und ich hörte laute Männerstimmen und Carlie, die jemanden anschrie. »Komm, wir müssen nachsehen, was da los ist«, sagte ich zu Robin. Ich schlängelte mich durch den Krempel im Flur, lief die Treppe hinunter, schlug einen Haken, um Tigers Krallen zu entgehen, und schlich zur Tür des Wohnzimmers.
    Carlies Mutter hielt Ben auf dem Arm, der Mann saß immer noch in seinem Sessel, und Daddy stand neben Carlie, den Arm um ihre Schultern gelegt. Carlie war stocksteif und starrte den Mann im Sessel an.
    Der Mann zeigte mit dem Finger auf Carlie und sagte: »Mir ist es egal, ob du uns besuchen kommst. Was mich betrifft, bist du schon lange tot.« Dann wandte er sich wieder dem Boxkampf zu. Carlies Mutter trug Ben aus dem Zimmer.
    »Da irrst du dich, du alter Scheißkerl«, sagte Carlie zu dem Sesselrücken. »Ich habe überhaupt erst angefangen zu leben, seit ich von hier weg bin.« Ihre Stimme war halb Schluchzen, halb Fauchen. »Mir reicht’s. Ich komme nie wieder.« Damit machte sie kehrt und verließ das Haus.
    Ich zögerte, ließ mich dann aber von Robin in die Küche ziehen. Carlies Mutter stand vor dem Herd, den Kopf gesenkt, die Arme wie zum Festhalten an den Seiten abgestützt. Ben umklammerte ihr Bein.
    Daddy kam in die Küche und sagte: »Komm, Florine.« Er beugte sich zu mir herunter, und ich ließ Robins Hand los, als er mich hochhob.
    »Es war nett, Sie kennenzulernen, Mrs. Collins«, sagte er.
    Carlies Mutter nahm ein zusammengeknülltes Papiertuch aus ihrer Schürzentasche und wischte sich damit über die Augen. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
    »Sie können uns jederzeit besuchen kommen«, sagte Daddy. »Es wird Ihnen gefallen. Wir fahren mal mit dem Boot raus. Und bringen Sie die Kinder mit.«
    »Wir werden es versuchen«, sagte Carlies Mutter.
    Doch sie kamen nie. Ich dachte an Robin und malte sie auf Papier, mit ihren Augen und ihren Haaren und den Kleidern, die sie an dem Tag angehabt hatte. Kurze Zeit nach dem Besuch fragte ich Carlie, ob ich ihr einen Brief schreiben dürfe. Ich schickte ihr ein Bild von uns beiden in ihrem Zimmer, umgeben von Puppen. Ich bekam nie eine Antwort von ihr.
    Als Carlie verschwand, war ihre Familie keine Hilfe. Denn wie Carlies Vater zu seiner einzigen Tochter gesagt hatte: »Was mich betrifft, bist du schon lange tot.«

9
     
    Kein plötzliches Verschwinden konnte den Schulbeginn aufhalten. Am Donnerstag vor dem Labor Day wollten Madeline und Grand mit Dottie und mir einkaufen gehen.
    »Ich will aber nichts Kariertes«, sagte Dottie. »Ich hasse karierte Sachen.«
    »Bei Carlie durfte ich mir immer aussuchen, was ich wollte«, sagte ich. Dottie schwieg.
    Am Tag bevor wir einkaufen wollten, gingen Bud, Glen, Dottie und ich zum letzten Mal schwimmen. Dottie kletterte in einen Reifenschlauch und ließ sich treiben. Ihre breiten, braunen Füße guckten raus, während sie mit den Händen herumpaddelte.
    »Wie war’s mit einem Wettkampf?«, rief sie Bud, Glen und mir zu, während wir ihr vom Strand aus zusahen.
    »Ist doch nur noch ein Schlauch übrig«, erwiderte Glen. Drei waren von der Flut weggeschwemmt worden, und es war unsinnig, Bert zu bitten, uns ein paar neue aus der Werkstatt in Long Reach mitzubringen, weil die Badezeit am Labor Day endete. Das Wasser war jetzt schon ganz schön kalt.
    »Dann halt zu zweit«, sagte Dottie. »Bud und ich gegen dich und Florine.«
    »Nö«, sagte Bud. »Florine und ich wollen zur Boje rausschwimmen.«
    »Wollen wir?«, fragte ich.
    »Wetten, dass ich schneller dahin paddeln kann, als ihr beide schwimmt?«, rief Dottie. Glen schnappte sich den anderen Schlauch und watete zu ihr ins Wasser.
    »Dann müsst ihr aber zurück an den Strand kommen«, sagte Bud, »und wir starten alle von hier.«
    »Verdammt, warum sagst du das nicht gleich?«, murrte Glen und stapfte wieder zurück. Dottie paddelte herbei und ließ sich aus dem Schlauch gleiten, bevor sie zu nah an die Steine herankam. Wir stellten uns an einer Linie auf, die Bud mit einem Stock in den Kies zog.
    »Wer gibt das Kommando?«, fragte Dottie.
    »Ma«, rief Bud Ida zu. »Sag mal eins - zwei - drei - los.«
    Ida, die mit Madeline auf einem Felsen saß und sich unterhielt, blickte auf. »Eins - zwei - drei - los«, rief sie, aber Bud und ich waren schon bei »drei« im Wasser. Glen und Dottie protestierten, doch wir lachten nur und schwammen raus zur Boje.
    »Lass uns runtergehen«, sagte Bud, als wir dort angekommen waren,

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