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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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Unsere Schritte hallten dumpf auf den breiten Holzdielen. Andy ließ mich vorgehen und schloss dann die Haustür gegen die Dunkelheit.
    Auf einem kleinen Tisch in der Eingangshalle stand eine Petroleumlampe, deren Licht über die dunkle Holzverkleidung an den Wänden flackerte. Eine Treppe, die auf halber Höhe die Richtung wechselte, führte hinauf in den ersten Stock. Ein verstaubter Kristallleuchter hing von der Decke herab wie eine Spinne. Der durchdringende Geruch nach Mottenkugeln brachte mich zum Niesen, und ich stieß eine weiße Atemwolke aus.
    »Gesundheit«, sagte Andy.
    »Ich weiß, du hältst dich hier irgendwie warm«, sagte ich. »Aber verrat mir noch mal, wie.«
    »Oh, ich bin für jeden Härtefall gerüstet. Ich war viermal bei Outward Bound. Ich komme schon zurecht.« Er führte mich zur Küche, wo uns ein sanftes Licht empfing. Mehrere Petroleumlampen erhellten den Raum, und auf dem großen holzbefeuerten Ofen stand ein Topf, in dem etwas vor sich hin kochte.
    Als ich Andy das Brot gab, hielt er die Nase daran und sog den Hefeduft ein. »Das halt ich nicht aus«, sagte er. »Kann ich es sofort anschneiden?«
    »Tu dir keinen Zwang an.«
    Ich hob den Deckel vom Topf. Fleischstücke, Möhren und Kartoffeln schwammen in einer Brühe. »So eine Art Eintopf«, sagte Andy.
    »Riecht gut.« Während er das Brot aufschnitt, sah ich mich um. Die Wände in der Küche waren mit dem gleichen dunklen Holz verkleidet wie im Flur. Mit dem weichen, tanzenden Licht fühlte es sich an, als wäre man in einer Höhle.
    Andy legte das Brot in einen Korb und stellte ihn auf einen kleinen Holztisch zwischen uns. Er nahm eine Scheibe, riss ein Stück davon ab und schob es sich in den Mund. Er lachte vor Begeisterung.
    »Freut mich, dass es so gut ankommt«, sagte ich. »Aber es ist nur Brot. Nichts Besonderes.«
    »Manchmal ist einfaches Brot der Himmel auf Erden. Bring es ins Wohnzimmer und stell es auf den Beistelltisch vor dem Feuer«, sagte er. »Heute Morgen habe ich eine Flasche Rotwein im Schrank gefunden. Er steht zusammen mit zwei Gläsern neben dem Kamin. Schenk uns schon mal ein, ich komme gleich nach.«
    Der Kamin war so groß und so reichlich bestückt, dass er fast den ganzen Raum beleuchtete. Auf dem dunkelroten Teppich, der davorlag, hatte Andy etliche blau gemusterte Kissen verstreut. Ich zog Mantel und Stiefel aus und setzte mich auf eines davon. Dann schenkte ich den Wein ein und hielt mein Glas vor das Feuer. Rubinrot, wie die Gläser in Grands Vitrine, schimmerte es im Licht der Flammen. Ich prostete mir selbst zu und trank einen Schluck, aber das Zeug war so sauer, dass Grand darin Rote Bete hätte einlegen können. Ich spuckte den Wein zurück ins Glas und leckte mir den Mund aus, um den grässlichen Geschmack loszuwerden.
    Als Andy mit einem Tablett hereinkam, auf dem zwei Schalen mit dampfendem Eintopf standen, behielt ich das mit dem Wein für mich, weil ich nicht sicher war, ob er wirklich schlecht war. Ich beschloss zu warten, bis Andy probiert hatte, und einen zweiten Versuch zu wagen, wenn er ihn in Ordnung fand.
    Ich zog die Knie an die Brust und betrachtete Andy, während er das Tablett auf den niedrigen Tisch stellte. Er hatte seinen alten Pullover ausgezogen und das rote T-Shirt darunter in die Jeans gesteckt, sodass ich seinen knackigen Po und den flachen Bauch bewundern konnte. Er setzte sich auf eins der Kissen neben mir, griff nach seinem Weinglas und sagte: »Prost. Auf die Erneuerung unserer Bekanntschaft.« Er trank einen kräftigen Schluck, verzog das Gesicht und spuckte den Wein zurück ins Glas.
    »Genau das hab ich auch getan«, sagte ich.
    »Gütiger Jesus, tut mir leid.«
    »Beschwer dich nicht bei Jesus, bring den Wein zurück in den Laden.«
    »Staubtrockener Humor«, sagte Andy, so leise, dass ich mich zu ihm beugen musste, um ihn zu verstehen.
    Ehe ich wusste, wie mir geschah, lag ich auf dem Boden.
    Er legte sich auf mich, und wir küssten uns, bis meine Lippen sich anfühlten wie zwei betrunkene Schnecken. Ich war zu allem bereit, aber Andy hielt inne und setzte sich auf.
    »Oh Mann«, sagte er. »Oh Mann.«
    »Was ist?«
    Er betrachtete mich mit seinen dunklen, glänzenden Augen. »Du. Wahnsinn.«
    Wir sahen uns eine Weile schweigend an, lauschten auf unseren Herzschlag, die Stille um uns herum und das Knistern des Feuers. Er legte seinen Zeigefinger auf meine Lippen, und ich nahm ihn in den Mund. Er holte tief Luft und zog seinen Finger zurück. Dann küsste er mich

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