Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
Vom Netzwerk:
Dummheiten vorhaben?!«
    »Dummheiten sind dazu da, sie zu machen.«
    »Aber nicht jetzt, Paul«, bat sie.
    »Ach komm«, bettelte er und umschlang sie noch fester mit seinen Armen.
    »Du drückst mir die Luft ab, Paul!«
    Lachend warf er den Kopf zurück. »Das wäre eine Schlagzeile: Freundin aus Liebe erdrückt!«
    »Nur dass ich davon nichts mehr hätte. Könntest du mich bitte loslassen?«
    »Nur ungern, Darling.« Er lockerte seinen Griff. »Du weißt doch, ich liebe dich.«
    »Ich dich auch, aber…«
    »… nicht so sehr wie ich dich!«
    »Paul!«, mahnte sie. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie darüber diskutieren würden. Ich liebe dich. Ich liebe dich noch mehr. Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt. Liebe konnte manchmal erdrückend sein. Sie beschloss, sich nicht auf diesen Wettbewerb einzulassen, und fragte stattdessen: »Hast du es dir überlegt?«
    Er warf die Stirn in Falten, als denke er angestrengt nach. »Mit dir ins Bett steigen? Klar, sofort.«
    Beatrice löste sich aus seiner Umklammerung. »Was du vom Supermarkt haben möchtest?« Ihre Stimme klang ein wenig gereizt, aber das schien Paul zu überhören. Er grub sein Gesicht in ihr Haar und sagte: »Dich!«
    »Paul!«
    »Was?«
    »Bitte!«
    »Nein wirklich, Darling, ich habe alles, was ich brauche – ich! Ich liebe dich, Bea. Ich werde dich immer lieben. Ich komme mir vor wie im Paradies.«
    Beatrice schaute ihn aufmerksam an. Nackt stand er vor ihr, mit halb erigiertem Glied. Ein Satz, den sie irgendwo gelesen hatte, ging ihr durch den Kopf: »Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.«
    Sie sagte es laut, weil es ihr passend schien, griff dann nach dem Schlüsselbund auf dem kleinen Sideboard und huschte nach draußen. Sie blickte nicht zurück, wollte nicht mit ansehen, welche Wirkung ihre Worte erzielten – wenn sie denn überhaupt eine Wirkung hatten.
     
     
    Eisige Luft stahl sich in die Diele, als Bea die Wohnung verließ. Aber das war egal. Paul roch ihr Parfüm, diese Mischung aus herber Zitrone und süßen Rosen, von der er nicht genug bekam, weil sie die Versinnbildlichung seiner innigen Leidenschaft war.
    Okay, manchmal mochte Bea ein bisschen grantig sein. Aber das lag in der Natur der Frauen, da war sich Paul sicher. Es mochte mit ihren stressigen Wochenenden oder vielleicht mit ihrer Periode zusammenhängen. Frauen waren dann so. Doch das würde sich legen, wenn, ja, wenn er Bea erst seine Überraschung ausgehändigt hatte.
    Ihm wurde warm ums Herz. Versonnen streichelte er die Nelken auf dem Regal, weich und samtig fassten sich die Blütenblätter an, wie Beas Haar, wenn es zwischen seinen Fingern zerfloss. Sie mochte weiße Nelken, weiß wie die Unschuld. Paul wurde von einer Welle der Zuneigung erfasst. Das einzige Paradies, hatte sie gesagt.

Berlin
     
     
     
    Gerade als Philip unter der Dusche stand und das Prasseln genoss, mit dem das Wasser den bitteren Geschmack der Party-Nacht von seiner Haut spülte, klingelte das Telefon. Er hielt den Kopf noch tiefer unter den heißen Strom. Wozu gab es Anrufbeantworter?
    Vielleicht war es Chris am anderen Ende der Leitung, die sich vergewissern wollte, dass er wohlbehalten heimgekehrt war. Oder, was wahrscheinlicher war, sie wollte noch einmal ihren Unmut über sein Verhalten kundtun. So war sie, immer ein bisschen nachtragend.
    Er drehte das Wasser ab, griff nach einem Handtuch und schlang es sich um die Hüfte. Er verließ die Duschkabine, trat in die schmale Diele und in eine andere Welt. Schweiß brach aus seinen Poren. Sein Körper zitterte wie unter Schüttelfrost. Wie nach dem Ritt auf einer Achterbahn mit vierfachem Looping torkelte er durch den Flur in das Wohnzimmer, wo er nur selten heizte. Doch die Kühle wirkte dem Flashback nicht entgegen. Sein Magen zog sich zusammen und verlangte nach Erleichterung. Sofort.
    Es gab Tage, da verdammte Philip seine sanierte Einzimmerwohnung im dritten Stockwerk des Kreuzberger Altbaus. Hier gab es nicht viel Platz für Lebensqualität, wie sie schwedische Möbelhäuser in ihren alljährlichen Katalogen priesen. Quetschst du schon, oder lebst du noch? Die sechs mal sechs Meter boten gerade eben so Raum für eine Schlafcouch, einen Tisch sowie einen schmalen Kleiderschrank, der auf seinem obersten Regal auch Fernseher und Stereoanlage beherbergte. In dem schlauchartigen Flur zur Eingangstür hin befanden sich eine Kochnische und der Zugang zum Badezimmer. Insgesamt besaß

Weitere Kostenlose Bücher