Rufmord
Fenster, und da sah ich sie draußen im Garten. Vier winzige Gnome hüpften da herum. Kleine Männchen in schwarzer Lederkleidung. Sie spielten vor meinem Haus Bockspringen und führten seltsame Tänze auf. Ich öffnete das Fenster und rief sie an. Und da verschwanden sie! Doch auch in den nächsten Nächten kamen sie wieder. Sie drangen sogar in meinen Keller ein. Mit Schaufel und Spitzhacke!«
»Und da war der Zeitpunkt für Sie gekommen, die Hilfe der drei Detektive in Anspruch zu nehmen«, trieb Kevin Anderson das Gespräch voran.
Miss Agawams Stimme überschlug sich vor Begeisterung. »Sie können sich gar nicht vorstellen, mit welcher Professionalität Justus, Peter und Bob diesen raffinierten Fall gelöst haben! Ohne die drei ??? säße ich vermutlich längst verkümmert in einem Altenheim. Denn dass ich durch diese Geschichte gehörig an meinem Verstand zu zweifeln begann, können Sie sich wohl vorstellen.« Die alte Dame unterbrach ihren Redefluss für einige Sekunden. »Besucht mich doch mal wieder«, schlug sie schließlich vor. »Ich backe euch dann eine Kirschtorte. Du bist doch gewiss noch immer ein Schleckermaul, Justus, richtig?«
Peter musste unwillkürlich lachen. »Wenn Sie auf Justus’ Gewicht anspielen, Miss, kann ich Sie beruhigen. Da ist noch alles beim Alten! Aber verzichten Sie bitte auf das Sahnehäubchen, denn sonst platzt unser Erster noch!«
»Ich werde daran denken«, flötete die Dame, während Justus vor Ärger rot anlief. Seit er denken konnte, hatte er mit gehörigen Figurproblemen zu kämpfen. Daran schien sich nichts ändern zu lassen. Neben der Detektivarbeit war Essen für ihn eben seine große Leidenschaft.
Nachdem Miss Agawam aufgelegt hatte, wandte sich Kevin Anderson wieder an die Zuhörer.
»Wenn auch Sie mit den drei ??? ein paar persönliche Worte wechseln möchten, zögern Sie nicht und greifen Sie zum Telefonhörer. Dreimal die Acht, zweimal die Vier und dreimal die Neun! Mit ein bisschen Glück sind Sie dann gleich mit Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews live in dieser Sendung verbunden! Gleich sind wir wieder da! Jetzt gibt es erst mal heiße Musik! Ein Disko-Knaller aus den Siebzigern, der auch heute noch in die Glieder fährt. Freuen Sie sich mit mir und meinen Gästen auf ›I feel Love‹ von Donna Summer!«
Auf das Zeichen von Kevin Anderson fuhr der Toningenieur im Nebenraum die Bandmaschine ab. Dann nahm der Moderator seinen Kopfhörer herunter und signalisierte den drei Detektiven, es ihm gleichzutun. »Wir können jetzt frei sprechen, denn während die Musik läuft, sind die Mikrofone ausgeschaltet.« Er streckte die Beine unter dem Tisch weit von sich. »Na, noch immer Lampenfieber?«
»Nicht die Bohne«, entgegnete Peter. »Der Anruf von Miss Agawam war der Hammer! Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.«
Der Erste Detektiv warf einen Blick durch die Glasscheibe in den Nebenraum. »Es rufen doch bestimmt Hunderte von Zuhörern an, Mr Anderson. Gibt es eigentlich ein bestimmtes Auswahlverfahren, wer von den Anrufern zu uns in die Sendung geschaltet wird?«
»Na klar! Dafür ist Mrs Brighton verantwortlich. Sie sitzt ein Stockwerk höher in der Funk-Kabine und wählt die interessantesten Gesprächsteilnehmer schon im Vorfeld für uns aus.«
»Und wie funktioniert das?«, wollte Bob wissen.
»Schon zwei Stunden vor der Sendung glühen die Leitungen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was da alles für Leute anrufen. Nur ein Bruchteil von denen meint es ernst. Die meisten sind Spaßvögel, denen der Sinn danach steht, dumme Witze oder langweilige Grüße an ihre Freunde und Verwandten zu übermitteln. Und dann gibt es auch noch eine Menge Anrufer, die meine Sendung dazu benutzen wollen, üble Parolen und Diskriminierungen zu verbreiten.«
»Volksverhetzung nennt man das«, belehrte der Erste Detektiv seine beiden Freunde. »Aber wie schafft es Mrs Brighton, diese Anrufe von den ernst gemeinten zu unterscheiden und auszusieben?«
»Dank ihrer langjährigen Erfahrung«, erklärte der Moderator. »Im Vorfeld führt sie nämlich ein kurzes Gespräch mit den Anrufern. Ein Profi, und zu denen zählt Mrs Brighton auf alle Fälle, kann schon nach wenigen Sätzen erkennen, ob der Anrufer wirklich etwas zu einem bestimmten Thema zu sagen hat oder nicht. Zwar gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, aber unsere Gloria, so heißt Mrs Brighton mit Vornamen, hat fast immer den richtigen Riecher. Das wird hoffentlich auch in Zukunft so bleiben.
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