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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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auf eine sehr gute Art ansah. »Weißt du was«, sagte er, »leg dich auf meine Jacke.« Und sie legte sich auf die Jacke und lehnte den Kopf an seine Brust und sagte: »Das dachte ich mir doch, daß du da noch von selber drauf kommst.«
    Er dachte aber gerade an irgendeinen anderen Wald, den er kannte und in dem er auch so gelegen hatte vor ein paar Jahren, und dann dachte er noch, daß sie eigentlich ein sehr nettes Mädchen war. Er hatte vielleicht acht- oder neunmal mit ihr getanzt an zwei oder drei Abenden, und einmal hatte er sie ein Stück nach Hause gebracht, ohne alles, bloß mit tschüs und so, und ihm fiel plötzlich ein, daß sie an diesem Abend mit einigen anderen nicht getanzt hatte, obwohl sie immer wieder aufgefordert worden war, eigentlich hatte sie nur vier oder fünf Tänze getanzt und die mit ihm. Komisch, dachte er, Gitta, Ingrid, Margit, immer solche Namen. Aber sie war ein ganz anderer Typ, und er hatte keine Ahnung, was für einer. Er wußte nur, daß sie keine von diesen heiratswütigen Ziegen war und keiner von diesen emaillierten Zierfischen, mit gut angezogenen Jünglingen im Kopf und den Fotos von blöden Filmschauspielern überm Bett. Und daß sie Tennis spielte, wußte er auch, das imponierte ihm vielleicht am meisten und machte ihn auch wieder unsicher, denn er hatte das Gefühl, daß dies bloß ein Sport wäre für ganz besondere Tiere. Aber wie es jetzt war, war ihm das gleich.
    Er schob seinen Arm unter ihre Schulter, da war ihr Gesicht neben ihm, und er sah, daß sie eine schmale Narbe hatte über der linken Braue und sehr gerade Brauenbögen, und sie hatte schiefergraue Augen mit schwarzen Pünktchen und dünnen Äderchen und einem wahrhaft honigfarbenen Ton bei diesem Licht. Und als er ihre harten, wirklichen Lippen küßte, küßte sie ihn wieder ohne alle Zurückhaltung und Befangenheit.
    |499| »Ach Mann«, sagte sie, und dann legte sie ihren Arm unter seinen Kopf.
    Er war aber aufgehoben von der Helligkeit des Mittags und trieb einem ungefähren Horizont zu, und wenn er auch einen kleinen Schmerz spürte, so ließ er sich doch immer treiben und trieb überm Grün der Landschaft ins Gelb der Jahreszeit und dann in jenes heitere Blau des vergangenen Sommers und der größeren Genauigkeit, trieb immer so hin.
    Und es kamen Gesichter vor, aber sehr wenig Gespräche, viele Straßen, aber kaum eine Behausung, Hügel kamen und Wiesen und ganze Wälder und eine große Stadt von fern und ein See kam vor, und dann kamen noch ganz unbekannte Bilder und unwirkliche Gegenstände und sehr viel ganz blauer Himmel über unwahrscheinlicher Landschaft, und nur die Helligkeit war immer gleich.
    Als er erwachte, war die Sonne zwei Bäume weitergerückt. Er blinzelte in die Sonne und gewöhnte sich, und dann sah er, daß Margit ihn immer noch beobachtete. Er fragte: »Hast du mir etwa die ganze Zeit zugeguckt?«
    »Ja«, sagte sie. »Du siehst wahnsinnig interessant aus, wenn du schläfst, und ganz unwahrscheinlich intelligent. Besonders, wenn du schnarchst.«
    »Hm«, sagte er. »Das letzte halt ich für ein Gerücht.«
    »Wirklich und wahrhaftig«, sagte sie. »Und du glaubst gar nicht, wie mir der Magen knurrt.«
    Da fuhren sie weiter und fuhren zur Stadt hinab und fanden eine kleine HO-Gastwirtschaft, außen neben der Tür hing die Speisekarte. Als sie aber hineinkamen, war gut die Hälfte der Gerichte schon gestrichen. Sie bestellten Kotelett mit Meerrettich und Klößen und tranken Apfelmost, und der Most war sehr gut und wirklich kalt, aber das Fleisch war total versalzen, und ohne Meerrettich schmeckte es etwa wie doppelseitig getragene Einlegesohle. »Also ja«, sagte Peter, »was ich sagen wollte: Wie findest du denn dieses Kotelett?« Und Margit stocherte auf ihrem Teller herum und sagte: |500| »Indem ich die Klöße beiseite schiebe und mit der Gabel sorgfältig durch die Soße schürfe.« Und dann fragte sie bei der dicken Kellnerin an, ob man wohl etwas Salz haben könnte. Die dicke Kellnerin brachte einen mittleren Berg. Als sie gegangen war, schüttete Peter das Salz in die Blumenvase zu den Kunstblumen, und die Kellnerin kam zurück, starrte ungläubig auf den leeren Teller und in den Aschenbecher und unter den Tisch; sie stand dann eine ganze Weile mißtrauisch an der Theke, beleidigt bis zuletzt.
    Danach fuhren sie zum Schwanenteich. Sie mieteten ein Ruderboot für eine Stunde, blieben aber länger auf dem Wasser und mußten nachzahlen. Dann gingen sie, die Schaufenster zu

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