Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
Jahren, als ich die Schulbank drückte, hast du einen Haufen praktischer Dinge gelernt. Aber es ist doch Gold wert, wenn man mit den Fingern praktisch und geschickt ist. Die Schulbüffelei holst du nun einfach nach.“
„Ja, ich denke aber nicht nur an die Schulweisheit, Bernt. Ich habe viel zuwenig gelesen. Statt die Nase in Bücher zu stecken, habe ich mich auf dem Wasser herumgetrieben, geangelt, gesegelt, habe getischlert und gekocht und bin Auto gefahren. Wenn ich sehe, was Senta alles gelesen hat - von dir ganz zu schweigen!“
„Das läßt sich nachholen, Katrin, du hast die Voraussetzungen zum Lernen, du hast ein Hirn, das alles aufnehmen kann.“
„Aber trotzdem ist es mir unfaßlich, daß du mich leiden magst“, sagte Katrin, und ihre Stimme war voller Staunen. „Unfaßlich - und
- und - wunderbar.“
Der Frühlingsabend war hell und still. Bernt und Katrin machten einen Umweg durch ein Gehölz. Zwischen weißen Birkenstämmen und unter zartem, jungem Birkenlaub küßte er sie...
Inmitten allen Glücks und aller Arbeit quälte Katrin ein Gedanke. Es war sehr schön, daß Dr. Rywig ihr behilflich gewesen war, eine Bewerbung an eines der großen Krankenhäuser zu schreiben, und daß sie höchstwahrscheinlich im Herbst als Laborlehrling aufgenommen wurde. Aber niemand hatte ein Wort davon gesagt, daß sie zu ihnen zurückkommen dürfe. Ihr graute bei dem Gedanken an eine möblierte, einsame Bude - wenn sie auch wußte, daß sie Rywigs oft besuchen durfte.
Fragen mochte sie nicht. Doch wenn die Familie mit ihrer Rückkehr rechnete, dann hätte gewiß einer etwas gesagt. Verabredet war ja nur, daß sie ein Jahr bei ihnen sein sollte - dieses Jahr, das bald zu Ende ging.
Sie sagte zu niemandem etwas davon. Nicht einmal zu Bernt.
An einem Maitag saß Katrin dann in einem Klassenraum, in dem die Pulte weit auseinander standen und drei Lehrer aufpaßten. Sie schrieb ihren norwegischen Aufsatz. Die Feder flog über das Papier, sie schrieb und schrieb pausenlos.
Und als sie nach Hause kam, war sie müde - aber sie strahlte über das ganze Gesicht.
„Na?“ Beate, Senta und Hans Jörgen fragten gleichzeitig. Herr Rywig und Bernt waren noch nicht nach Hause gekommen.
„Ratet!“
„Über das Auto und seine Entwicklung“, schlug Senta vor.
„Erzählen Sie etwas über eine norwegische Küstenstadt“, rief Beate.
„Mein lustigster Tag in den Sommerferien“, sagte Hans Jörgen. „Nein“, sagte Katrin. „Erzählen Sie von Ihrem Lieblingssport, was er Ihnen gegeben und was er Sie gekostet hat.“
„Worüber hast du geschrieben?“
„Natürlich über das Segeln.“
„Hat es geklappt?“
„Ich rechne mit einem ,Gut’.“ Später las Bernt die Kladde durch. „Wenn du großes Glück hast, kriegst du ein ,Sehr gut’“, sagte er. „Aber ein ,Gut’ ist dir jedenfalls sicher.“
Mathematik ging glänzend, Englisch leidlich, in Deutsch stehe sie zwischen ,gut’ und ,genügend’, meinte Bernt.
Dann konnte sie vor der mündlichen Prüfung ein paar Tage aufatmen.
„Beatemutti“, sagte sie eines Tages. „Ich muß heute mal was anderes machen als büffeln. Ich muß meine Kräfte für irgend etwas anwenden, sonst roste ich ein. Einen einzigen Tag möchte ich das Lernen schwänzen - du möchtest wohl nicht zufällig groß reinmachen? Du ahnst nicht, wie gern ich heute Teppiche klopfen würde.“ Beate lachte.
„Denk mal, ich glaube fast, diesen Wunsch kann ich dir erfüllen. Ich wollte eigentlich morgen dein und Sentas Zimmer herannehmen, aber das können wir ebensogut heute tun. Es soll doch besonders gut reingemacht sein, wenn Sonja zurückkommt.“
Mit Eimern und Scheuertüchern gingen sie ans Werk, die Möbel wurden in die Mitte des Raumes gerückt, alle Ecken geschrubbt und gescheuert.
„Sag doch bitte mal“, sagte Beate plötzlich. „Liegst du eigentlich gut in Sonjas Bett?“
„Ja, glänzend.“
„Du bist so ein langes Ende, daß ich dachte, du möchtest von Herbst an vielleicht lieber das Gästebett haben?“
„Von - von - Beatemutti - meinst du denn, daß - “
„Mein Herzchen, das Gästebett ist ausgezeichnet, du brauchst nicht so erschrocken auszusehen. Und vor allen Dingen ist es länger als Sonjas und Sentas Betten.“
„Ja aber - Beatemutti - du sagst, von Herbst an - meinst du denn, daß ich hierher zurückkommen soll?“
Katrins Stimme zitterte so sehr, daß Beate erstaunt hochblickte.
„Hierher zurück - ja natürlich -aber Katrin, daran hast du doch
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