Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde
aufstehen.
Heute, am letzten Tag, hatten wir was ganz Besonderes vor. Wir wollten einen Tagesausflug - „Flug“ ist buchstäblich aufzufassen -rüber auf die Hauptinsel der Hawaii-Gruppe machen. Da erwartete uns erstens eine Orchideengärtnerei, und dann etwas, was für Olivia besonders interessant sein würde: das große Vulkangebiet, mit Lava, rauchenden Kratern und schwefeldampfenden Quellen.
Um halb sechs saßen wir an einer Theke im Flughafenrestaurant bei einem schnellen Frühstück, um sechs flogen wir los.
Das grünliche Wasser da unten war kristallklar, wir konnten den unterseeischen Teil der vielen Inseln sehen. Ganz klar und deutlich war zu erkennen, daß jede Insel ein Berg war, von dem nur der kleine obere Teil aus dem Wasser ragte.
Die Sonne strahlte, und die allgemeine Stimmung war ausgezeichnet.
Wie immer, warteten die Kleinbusse auf uns und brachten uns zuerst zu den Orchideen. Das war auch ein Erlebnis! Ich ahnte nicht, daß es so viele prachtvolle Orchideenarten gibt! Sie wuchsen aus Baumstämmen raus, gediehen in einer schwülen, feuchten Hitze, entfalteten ihre sagenhafte Pracht im warmen Schatten. Von goldgelb bis tieflila, von zartrosa bis dunkelrot. Da waren lange Rispen, an denen die Blüten dicht an dicht hingen. Solche hatte ich in Deutschland gesehen, jede Blüte kostete damals fünf Mark - eine ganze Rispe bis sechzig Mark! Es war ein Vermögen, das uns hier umgab.
Olivia stand still und betrachtete ein besonders schönes Exemplar.
Als sie mich an ihrer Seite entdeckte, lächelte sie.
„Wissen Sie, ich stehe hier und versuche, mir selbst zu sagen, daß ich die Blumen eigentlich gar nicht hasse. Ich haßte nur die im Garten meines Stiefvaters. Ich haßte sie, weil sie mir eine Ohrfeige einbrachten. Bis gestern habe ich sie gehaßt.“
Deswegen hatte sie ihren Blumenkranz in die Abfalltonne geworfen. Deshalb hatte sie das höhnische Lächeln gehabt, als sie es tat.
„Lassen Sie bloß nicht die Erinnerung an Ihren Stiefvater Ihre ganze Zukunft bestimmen“, sagte ich. „Genießen Sie doch alles was schön ist, und genießen Sie, daß das schrecklichste Kapitel Ihres Lebens zu Ende ist!“
„Das ist es ja, was ich versuche“, sagte Olivia leise.
Ihre Augen hatten Tiefe und Wärme gekriegt, und um Ihren Mund lag ein kleines, schüchternes Lächeln.
Als wir in den großen, merkwürdigen Vulkanpark reinfuhren, hatte sie einen wachen, lebhaften, interessierten Ausdruck. Sie beantwortete willig alle Fragen, zeigte und erklärte. Ja, diese großen, weiten grauschwarzen Strecken bestanden aus der sogenannten Fladenlava, erklärte sie. Man könne sehr gut darauf laufen.
Dann erzählte sie uns von der „Axtstelle“, wo das Gestein in der grauen Vorzeit Material für Äxte geliefert hatte. Sie zeigte uns die versteinerten Lavawellen rings um den großen Krater, wo vor wenigen Jahren ein Ausbruch gewesen sei.
Ich gebe zu, daß ich wenig von Steinen, Bergen und Vulkanen verstehe. Ich gebe auch zu, daß ich nicht die alleraufmerksamste Zuhörerin war. Aber ich freute mich über Olivias eifrige, beinahe fröhliche Stimme, ich freute mich über den neuen Ausdruck im Gesicht ihres Mannes.
Ja, wahrhaftig. Die weiße Taube war gestern nicht vergeblich gestorben.
Mehr als die schwarze Vulkanlandschaft interessierte mich ein Stückchen echter, üppiger Urwald mit hängenden Lianen, großen, wuchernden Blattpflanzen, Bäumen und Büschen, die so dicht wuchsen, daß sie ein undurchdringliches Geflecht bildeten.
Aber dann ertappte ich mich dabei, daß sich meine Gedanken weit weg von den heutigen Sehenswürdigkeiten bewegten. Ich war so erfüllt von dem Gedanken an unsere Zukunft, an die Tatsache, daß unser Leben jetzt seine bleibende Form bekommen hatte - ich dachte an Pflichten, Arbeit und Freuden, die wir vor uns hatten.
Es gab ein schnelles Essen aus mitgebrachten Lunchpaketen. Erst am späten Nachmittag war unsere Expedition zu Ende. Wir hatten noch ein paar Stunden, die wir in einem großen schönen Hotel und in dessen Swimming-pool verbrachten. In der Nähe waren auch Geschäfte mit so vielen schönen Sachen, daß ich mein restliches Geld bis zum letzten Cent loswurde.
Heiko machte sich für ein Weilchen selbständig. Den Grund erfuhr ich erst, als wir zurück in Honolulu waren und erschöpft von Vulkanen, Orchideen und Fliegen - von Kofferpacken nicht zu reden
- in unsere Betten sanken.
Da wurde mir nämlich etwas in die Hand gesteckt.
Heikos Stimme war die eines kleinen
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