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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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beweisen.
    In Deutschland fand das Manifest – wie zu erwarten – keine gute Aufnahme. Wir hatten das ja schon, der Deutsche, egal welcher politischen Couleur, misstraut der Revolte. Zu viel Gewalt und Romantik, zu wenig Theorie und Analyse. Nils Minkmar schrieb in der »FAZ« klug und gründlich über das Manifest. Minkmar, mit deutschem und französischem Pass, zeigte in seinem Text eine Mischung aus Sympathie, Faszination und Furcht – am Ende aber überwog die Furcht: »Nach dem Gewaltmonopol des Staates, nach dem Privateigentum und ohne öffentlichen Nahverkehr blüht höchstens ein sehr kurzer Sommer der Anarchie. Die unsichtbaren linken Militanten überschätzen ihre Kraft: Eine kollabierende öffentliche Ordnung würde nicht von Deleuze lesenden Kommunarden verbessert, sondern durch eine Mafia regiert. Wenn die Züge nicht mehr fahren, folgt nichts Besseres. Nach dem kommenden Aufstand kommen die schwarzen Geländewagen.«
    Die »taz« stieß sich daran, dass »sich dieser Linksradikalismus in seinen Vorurteilen gegen Kapitalismus und westliche Demokratien, gegen dekadente Großstädte, Beschleunigung und Digitalisierung von Arbeit und Leben mit der rechtsradikalen Zivilisationskritik trifft«. Dem Autor fiel sogar noch eine Analogie zum Islamismus und dem Terrorfürsten Osama bin Laden ein. Und regelrecht genervt reagierte der Revolutionsprofi Kraushaar: »Warum müssen die Apologeten eines radikalen Stils immer wieder auf denselben Gestus, dieselbe Haltung, die ewiggleichen Metaphern hereinfallen? Warum ist der Flirt mit der nackten Zerstörungsgewalt immer noch so chic? Und welche untergründige Sehnsucht bricht sich in diesem Faszinosum Bahn?«
    Wenn man das alles liest, fällt einem das Zitat des zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Ludwig Marcuse ein – des nicht verwandten Namensvetters des berühmten Herbert –, mit dem Oskar Negt sein Buch »Nur noch Utopien sind realistisch« einläutet: »Das Traurige an unserer Zeit ist aber nicht, was sie nicht erreicht, sondern was sie nicht versucht. Im Versuchen aber liegt der echte Idealismus.«
    Die deutschen Kritiker der »Unsichtbaren« zeigen sich als lauter Tatsachenmenschen, die ein politisches Manifest mit der Betriebsanleitung eines Flachbildfernsehers verwechseln und dann mit dem Programm unzufrieden sind. Vielleicht lag Jürgen Kaube näher an der Wahrheit, als er in der »FAZ« sein Gefühl äußerte, es handele sich hier »überhaupt nicht um eine Theorie, sondern um Jugendliteratur«. Es geht nämlich fehl, den bukolischen Utopisten aus der tieffranzösischen Provinz wahlweise den Vorwurf der Anomie oder der Idiotie entgegenzuhalten.
    Die Anomie, das ist ja gerade der Zustand, in den der moralisch gescheiterte Kapitalismus die Gesellschaft führt. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Frankreich oder die Aufstände in England, von denen am Anfang dieses Buches bereits die Rede war, sind nicht die Folge einer von Linksradikalen angezettelten Unordnung. Sie sind die Überdruckexplosionen eines hasserfüllten und sinnentleerten Systems, das – zumindest aus der Sicht der Aufständischen – Glaubwürdigkeit und Anspruch auf Loyalität verloren hat. Plünderer sind reaktionär, nicht revolutionär. Sie folgen der Logik des Systems, anstatt sie zu brechen. Sie füllen sich die Taschen mit den Waren, die ihnen die Werbung verheißt und die ihnen der Markt verwehrt. Sie lösen sich selbst ein uneingelöstes Versprechen ein. »Wir können uns die Gestalt unserer Tragödie ausmalen«, hatten wir zu Beginn mit Blick auf den Zusammenbruch von Tottenham und Brixton geschrieben. Denn diese Aufstände waren eine Reaktion auf einen bereits erfolgten Zusammenbruch, den des Rechts, den der Verantwortung, den der Moral. Sie waren eine Warnung.
    War das Manifest der »Unsichtbaren« ideologisch? Natürlich. Widerstand ist immer ideologisch. Aber das hier war eben nicht das militaristische Denken der Roten Armee Fraktion, das voll von Selbstüberschätzung und bar jeden Mitleids war und das darin dem braunen Schoß glich, aus dem es gekrochen war. Es war eine verzweifelte Sehnsucht, deren Kraft in Anarchie mündet, wie wir es aus dem 1973 gedrehten Film »Themroc« kennen. Da spielt Michel Piccoli einen vom Produktionswahn zerrütteten Pariser Lohnempfänger, der kaputtmacht, was ihn kaputtmacht, und sich auf den Weg in den menschlichen Urzustand begibt, Inzest und Kannibalismus inklusive. Der Film war ein politisches Zeichen, keine Anleitung zum

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