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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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einschlägige Studien übereinstimmend zeigen. Das Geld würde für Geschirrspüler, Zweitautos und Diskothekenbesuche der Eltern ausgegeben. Die Kinder hätten davon nichts und wären genauso arm wie zuvor. Nach dieser ›Subkultur-Theorie‹ ist Armut weniger durch Einkommen als durch Verhalten und Charakter der Armen bedingt; Armut wäre demnach im wesentlichen gleichbedeutend mit dem Unvermögen, sich selbst aus Zwangslagen herauszuhelfen – also einem Mangel an dem, was man gemeinhin als ›Intelligenz‹ bezeichnet.«
    So kalt und rein präsentiert sich zynisches Denken nicht oft: Armut bedeutet ein Versagen, und wer den Armen hilft, bestärkt dieses Versagen, das ist ein Topos konservativen Denkens seit den Tagen Edmund Burkes. Der Satz »Mit Geld allein ist vielen Armen kaum zu helfen« klingt, als habe die Redaktion der Zeitung ihm ein bisschen die Kanten geschliffen. Aber die grundsätzliche Idee bleibt erkennbar: Da den Armen mit Geld nicht zu helfen ist, können die Reichen es ebenso gut für sich behalten. Im Zweifel haben sie ohnehin die bessere Verwendung dafür.
    Jenseits aller Definitionen: Die Armut wächst in Deutschland, relativ und absolut. Das bedeutet, es gibt immer mehr Leute, die sich immer weniger leisten können, und gleichzeitig vergrößert sich der Abstand zwischen Reich und Arm. Das Statistische Bundesamt meldete im Herbst 2012, dass 16 Millionen Menschen in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen seien. Das sind 19,9 Prozent der Bevölkerung. Jeder fünfte. Gleichzeitig waren die privaten Geldvermögen in Deutschland auf sagenhafte 4811 Milliarden Euro gestiegen. So hoch wie nie zuvor. Auch der jüngste Armutsbericht der Bundesregierung hält fest, dass die Ungleichheit wächst. In Deutschland ist es wie im Märchen, nur umgekehrt: Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung verfügen inzwischen über 53 Prozent des Gesamtvermögens, die untere Hälfte der Haushalte besitzt 1,2 Prozent. Zu Beginn des Jahrzehnts stand es noch 45 zu 4 Prozent. Der Publizist Henning Ritter sagte schon im Jahr 2005: »Man kann von Deutschland kaum mehr als von einer sozial homogenen Gesellschaft sprechen.« Inzwischen ist das ganz ausgeschlossen.
    Deutschland ist ein ungerechtes Land. Das ist eine Tatsache, keine linke Ideologie. Unser System führt zu einer »Umverteilung von Arm zu Reich«. Das hat kein Politiker der Linkspartei gesagt, sondern der Verfassungsrechtler und Steuerexperte Paul Kirchhof, den Angela Merkel einst zu ihrem Finanzminister machen wollte.
    Der Berliner Finanzwissenschaftler Giacomo Corneo hat ausgerechnet, dass die reichsten 5000 Haushalte seit Mitte der neunziger Jahre ihren Anteil am Gesamteinkommen um etwa die Hälfte gesteigert haben. Gleichzeitig seien die realen Einkommen aller Deutschen in dieser Zeit etwa gleich geblieben. Die Nettolohnquote – also der Anteil der Löhne am Volkseinkommen – lag im Westen Deutschlands bis in die achtziger Jahre noch bei 44 Prozent. Zehn Jahre später waren es noch knapp über 38 Prozent. Heute sind es etwa 35 Prozent. In der gleichen Zeit ist der Anteil der Einkommen aus Gewinnen beständig gestiegen.
    Da sind gewaltige Umverteilungen im Gange. All das ist lange bekannt. Aber wir sehen dem tatenlos zu. Warum eigentlich? Weil die Ideologie der Privatisierung, die Ideologie des staatlichen Rückzugs, die Ideologie des Neoliberalismus die veröffentlichte Meinung nun schon für die Dauer einer ganzen Generation benebelt hat.
    Aber die Ideologie hat Risse bekommen.
    »Ein Jahrzehnt enthemmter Finanzmarktökonomie entpuppt sich als das erfolgreichste Resozialisierungsprogramm linker Gesellschaftskritik«, hat Frank Schirrmacher geschrieben. Es ist nicht die Stärke linker Argumente, den Kapitalismus in die Knie zu zwingen. Der Kapitalismus ist so lange gewachsen, dass er mit der Demokratie kaum noch zu vereinbaren ist. Wir leben zusehends in einem System, in dem die wenigen profitieren, die vielen nicht. In der Demokratie werden aber die vielen alle paar Jahre als Wahlvieh gebraucht. Sie sollen ihre Stimme abgeben – und dann schweigen. Dafür zahlt der Staat ihnen die – spärlicher werdenden – Alimente aus den Sozialtöpfen. Aber woher soll das Geld kommen, wenn die Reichen und die Unternehmen immer weniger Steuern zahlen und ihr Geld für sich behalten und die Armen gar keine Steuern zahlen, weil sie kein Geld haben? Die Antwort lautet: Schulden. Die Schulden

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